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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Schaluppe nehmen, sonst sind wir nach ein paar Stunden fix und fertig. Das Boot läuft voll, und wir sinken auf den Grund des Flusses. Bevor die Woche rum ist, leben Welse in unsrem Schädel.«
    Niemand widersprach ihr. Alles, worüber wir geredet hatten, schien plötzlich hinfällig. Worte kosten nicht viel, und es ist aufregend, sich was auszumalen, aber wenn man etwas erreichen will, braucht man einfach Geld. Oft macht es mehr Spaß, Pläne zu schmieden, als sie dann in die Tat umzusetzen. Erwartungen, hatte ich einmal einen alten Mann sagen hören, sind wie fette Vögel: Besser man dreht ihnen den Hals um, bevor sie wegfliegen.
    Wir verabschiedeten uns voneinander und gingen unserer Wege. Während ich einen Fuß vor den anderen setzte, wurden die Schatten immer länger. Bevor ich daheim war, würde es stockdunkel sein. Obwohl ich in den Wäldern am Fluss aufgewachsen war, kannte ich jede Menge schreckliche Geschichten darüber, was hier so hauste. Meistens handelten sie von irgendeinem Scheusal, das nachts herumschlich, sich wütend und hungrig auf einen stürzte, einen verschleppte und einem die Knochen aussaugte. Bei jedem Schrei einer Eule, jedem Knacken im Gehölz, jedem Windhauch, der in ein Gebüsch fuhr, zuckte ich zusammen. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, fing es im Osten auch noch an zu blitzen, was aussah, als würde eine betrunkene Näherin den pechschwarzen Himmel mit einem hellgelben Faden flicken. Der Wind wurde stärker, die Bäume bogen sich seufzend zu mir herab, und schließlich spürte ich die ersten Regentropfen auf der Haut. Bis ich endlich das Licht im Fenster unseres Hauses sehen konnte, regnete es in Strömen, und der Wind peitschte die Weiden am Ufer wie ein Lehrer, der einem unfolgsamen Schüler mit der Gerte den Hintern versohlt.
    Im Garten erschreckte mich eines der freilaufenden Schweine;es kam hinter dem Haus hervor und grunzte mich an, vielleicht in der Hoffnung, ich hätte was zu fressen dabei. Es war eines der großen, schwarzweiß gefleckten, und ich streckte schon die Hand aus, um es zu streicheln, aber zögerte dann, als mir einfiel, dass wir es im Herbst schlachten würden. Mir war nie ganz wohl dabei, mich mit etwas anzufreunden, was sich irgendwann auf meinem Teller wiederfinden würde, zusammen mit neuen Kartoffeln und Kohl. Ich hielt es für richtig, dass zwischen Mensch und Schwein klare Verhältnisse herrschten, wobei Freundschaft keine Rolle spielen durfte. Allerdings war mir klar, dass das Schwein, hätte es gewusst, was ihm bevorstand, längst auf und davon wäre, wahrscheinlich zusammen mit den Hühnern und den anderen Schweinen. Außerdem war es so oder so nicht besonders toll, ein nasses Schwein zu streicheln.
    Daddy war daheim. Sein zerbeulter Pritschenwagen stand vor dem Haus. Ich ging über die Veranda, und sie knarrte, was mich nervös machte. Eigentlich war es Daddy egal, wann ich kam und ging, und meistens wusste er nicht mal, ob ich weg war. Aber wenn man ihn weckte, wurde er stinksauer, und dann holte er den Streichriemen hervor. Ich hatte keine Lust, seinen Schlägen ausweichen zu müssen oder seinen grapschenden Händen.
    Auf der Veranda stapelte sich dicht an der Hauswand ein Stoß Feuerholz. Ich nahm mir ein ordentlich starkes Scheit, das gut in der Hand lag, öffnete die Tür und ging rein. Unser Haus war keine Sehenswürdigkeit, aber dafür war es groß. Es war gebaut worden, lange bevor der Fluss seinen Lauf geändert hatte. Daddy hatte es geerbt, als sein Vater starb – der, wenn man Daddy Glauben schenken konnte, keinen Deut besser gewesen war als er. Daddys Großvater dagegen war ein grundsolider Gentlemen gewesen, der mit seinem Geld achtzehnhundertirgendwas aus dem Norden hierhergekommen war. Das Geld hatte er, so hieß es, in der Frachtschifffahrt verdient, und als er davon genug hatte, war er in den Südengezogen. Er hatte ein massives Haus und eine massive Scheune gebaut, die sein Sohn und jetzt sein Enkel verkommen ließen.
    Vor ein paar Jahren hatte der Fluss seinen Lauf geändert und eine ganze Reihe der Nebengebäude weggerissen. Ich hatte viel von der Flut von 1900 gehört und wie sie ganze Familien umgebracht hatte und dass unser Haus damals hoch oben auf einem Hügel stand. Dann tobte der Fluss durch das Land wie eine Horde wilder Indianer. Er riss das Erdreich mit sich, und das Wasser stieg an, bis dort, wo vorher festes Land gewesen war, ein breiter Strom dahinfloss. Jetzt war der Fluss vielleicht noch dreißig Meter von

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