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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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auch ruhiger.
    Clementine hob den Krug an den Mund und trank einen Schluck. Dann hielt sie ihn uns hin, doch wir lehnten alle ab, auch wenn ich sah, wie sich Mama die Lippen leckte. Der Alkohol roch genauso wie ihr Allheilmittel, und ich weiß, dass sie nur schwer widerstehen konnte, aber sie schüttelte den Kopf.
    Clementine stellte den Schnaps beiseite, und Boone nahm ihn sofort, schraubte den Deckel wieder drauf und tat ihn zurück in das Bündel. Clementine verband Terrys Hand behutsam mit einem weißen Lappen.
    »Geht’s ihm jetzt wieder besser?«, fragte Mama.
    »Jedenfalls nicht schlimmer«, erwiderte Clementine. »Aber er braucht dringend einen Arzt. Hier draußen kann ich nichts mehr für ihn tun. So kommt nur Schmutz in seine Wunde, und dagegen kann ich nichts machen.«
    »Vielen Dank«, sagte Mama, und ich und Jinx taten es ihr nach. Jinx zog ein Taschentuch aus ihrer Latzhose, wischte mir damit den Eiter vom Gesicht und warf es dann ins Feuer.
    Man hätte meinen können, dass uns das den Appetit verdorben hätte, aber ganz im Gegenteil. Jud holte ein paar leere Dosen aus seinem Bündel – Dosen, auf denen nicht mal mehr die Etiketten drauf waren. Mir und Jinx gab er eine, die wir uns teilten, genauso den älteren Kindern und der Mutter und dem kleinen Mädchen.Am Schluss hatte jeder eine Dose für sich oder eine, die er mit jemandem teilen musste. Die Kinder sagten die ganze Zeit über kein einziges Wort, weder zu uns noch zu ihrer Familie. Sie benahmen sich überhaupt nicht wie Kinder. Sie wirkten, als hätten sie jede Hoffnung verloren, und der Anblick tat mir in der Seele weh.
    Wir aßen alle unser bisschen Bohnen, und nachdem wir damit fertig waren, suchten wir im Wald nach trockenen Ästen, um das Feuer am Brennen zu halten, obwohl es eine warme Nacht war. Die Helligkeit, die die Flammen abstrahlten, tat uns gut.
    Schließlich streckten wir uns alle auf dem Boden aus. Ich versuchte zu schlafen, konnte es jedoch nicht. Die ganze Zeit musste ich an Skunk denken. Jinx kam zu mir rüber und legte sich neben mich. Offenbar ging ihr Skunk genauso wenig aus dem Kopf. »Wir müssen uns bereithalten, falls Skunk auftaucht.«
    Ich zeigte ihr mein Taschenmesser, das offen neben mir lag.
    »Da kannst du auch versuchen, einen Stier mit einer Nadel zu piksen«, sagte sie.
    »Ich will wenigstens dafür sorgen, dass er mich nicht so schnell vergisst.«
    »Das tut er bestimmt nicht«, erwiderte Jinx. »Er hat ja deine Hände als Erinnerung.«
    Normal war das nicht, dass wir gleichzeitig so verängstigt und so müde waren. Ich blieb jedenfalls nicht mehr lange wach, sondern hatte irgendwann das Gefühl, von einem hohen Baum zu fallen und wie eine Piniennadel zu Boden zu schweben. Plötzlich konnte ich nicht mehr die Augen offen halten, und als es hell wurde, wachte ich wieder auf, und niemand hatte mir die Hände abgehackt. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
    Dann fiel mein Blick auf Jinx, die am Feuer saß. Sie hatte die Ellenbogen auf den Knien und das Gesicht in den Händen. Erst dachte ich, sie wäre wach, aber dann sah ich, dass sie in der Haltung eingeschlafen war.
    Ich stand auf und ging in den Wald, um ein Geschäft zu erledigen, und stapfte dann runter zum Fluss. Das Wasser hatte sich ziemlich beruhigt, und wie ich es jetzt so betrachtete, wünschte ich mir, wir hätten unser gestohlenes Floß wieder.
    Hungrig lief ich eine Weile da unten rum, bis ich zu der Stelle kam, wo wir die Taschen weggeworfen hatten, in denen die Kübel gewesen waren. Ich wollte noch mal reinschauen, vielleicht war von dem getrockneten Fleisch ja noch was essbar.
    Doch das Fleisch in den Beuteln stank so fürchterlich wie Terrys Wunde. Ich kippte sie aus, aber da war nichts, was noch brauchbar gewesen wäre. Also ging ich den Weg zurück, den wir gekommen waren, bis ich den Reverend sehen konnte. Mehrere Bussarde hockten auf ihm drauf, und sie hatten ihm die Augen ausgepickt und Nase und Lippen abgerissen. Ich hob einen Stein auf und warf ihn nach den Vögeln, die träge davonflogen.
    Ich dachte mir, vielleicht sollte ich ja die Leute am Feuer fragen, ob sie mir helfen würden, ihn da rauszuziehen und zu begraben, aber ich hatte auch Angst, sie könnten meinen, wir hätten ihn umgebracht.
    Ich weiß nicht, warum ich das machte, aber ich suchte mir einen dicken Stock und fand auch einen. Dann schwamm ich zum Reverend raus, was jetzt einfacher war, denn ich war ausgeruht und das Wasser nicht mehr so wütend. Ich kletterte

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