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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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ganzes Gespann wilder Pferde daran zu hindern, über eine Klippe zu rennen.«
    Mama schien unablässig an Pferde zu denken. »Je länger du nichts davon in die Finger bekommst«, sagte ich, »desto einfacher wird es.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher. Was machen wir mit Terry?«
    »Ich werd wohl irgendwie das Boot loskriegen müssen. Keine Ahnung, ob wir da alle reinpassen, aber was anderes weiß ich nicht. Warum bleibst du nicht bei ihm, und ich und Jinx schauen, was wir finden?«
    Wieder ließ ich die beiden nur ungern alleine, aber ich wollte Terry auch nicht runter zum Boot schleppen, um dann festzustellen, dass wir es nicht losbekamen. Und irgendjemand musste schließlich auf ihn aufpassen.
    Ich und Jinx suchten am Fluss nach einem Stein, der schwer genug war, damit wir mit ihm das Vorhängeschloss an der Kette zertrümmern konnten. Wenn wir das Boot nahmen, war das natürlich wieder Diebstahl, und mir kam der Gedanke, dass ich aufpassen musste, wenn ich nicht als Kriminelle Karriere machen wollte. Immerhin verdiente man als Verbrecher regelmäßig, doch man konnte auch im Gefängnis landen, und das schien mir wenig erstrebenswert. Aber schlechte Zeiten bringen eben schlechte Absichten hervor, und im Moment war Überleben wichtiger als alles andere.
    »Meinst du, Terry wird wieder gesund?«, fragte Jinx. Wir waren ein Stück das Ufer entlanggestreunt, weiter stromaufwärts als bisher, waren aber bisher noch keinem größeren Stein begegnet. Die meisten fielen auseinander, wenn wir sie nur einmal etwas fester auf den Boden kloppten.
    »Ich weiß nicht. Hängt wahrscheinlich davon ab, ob wir ihn zu einem Arzt kriegen.«
    »Er ist wirklich ein hübscher Kerl«, sagte sie.
    Ich blieb stehen und sah sie an. »Das stimmt, aber wie kommt’s, dass dir das erst jetzt auffällt?«
    »Ich hab das schon früher bemerkt, ich bin ja nicht blind. Aber … nun ja …«
    »Er ist weiß«, sagte ich.
    »Ja. So läuft das nicht hier in der Gegend, und außerdem ist er mein Freund, aber manchmal gehn mir halt merkwürdige Dinge durch den Kopf.«
    »Ich wusste nicht, dass du ihn so gern hast.«
    »Ich auch nicht, aber jetzt, wo er vielleicht stirbt … Wahrscheinlich hab ich gedacht, in Kalifornien sieht die Sache vielleicht anders aus. Wenn ich mich etwas schönmache und lerne, richtig zu reden, hab ich vielleicht eine Chance.«
    »Du weißt, dass er eine Schwuchtel ist, ja?«
    »Ich träum doch nur vor mich hin. Und jetzt tut’s mir leid, dass ich dir davon erzählt hab.«
    »Schon gut«, erwiderte ich. »Mir geht’s auch nicht viel anders.«
    »Ja, aber du bist keine Farbige.«
    »Das ist egal. Er interessiert sich für keine von uns. Wenn May Lynn ihn kaltgelassen hat, haben wir bestimmt nix zu melden.«
    Jinx blieb mir die Antwort schuldig; offenbar wollte sie nicht mehr darüber reden, und auch über nichts anderes. Sie stapfte weiter, mir immer ein paar Meter voraus, und wir suchten wieder nach unserem Stein.
    Schließlich stießen wir auf einen, der schwer genug war und auch nicht gleich zu Bruch ging. Er ließ sich gerade noch so alleine tragen, und ich und Jinx wechselten uns auf dem Rückweg zum Boot ab. Ich kletterte rein und hämmerte damit auf das Schloss. Das Boot schwankte, und die Kette rasselte, aber mehr als ein paar Kratzer hatte das Schloss nicht abbekommen.
    »Lass mich mal ran«, sagte Jinx. Sie stieg ins Boot, und ichging wieder an Land. Dann hob sie den Stein über den Kopf, verdrehte ganz komisch die Lippen und schlug mit aller Wucht zu. Das Schloss sprang wie auf Kommando auf.
    »Und jetzt«, sagte sie, »gehn wir rauf und holen Terry.«
    Wir ließen das Schloss, wo es war, legten die Paddel ans Ufer und gingen zum Lagerplatz zurück. Terrys Hand war schon wieder angeschwollen, und rote Linien führten bis hoch zu seinem Ellenbogen. Ich wusste, was das bedeutete. Blutvergiftung.
    Wir legten ihm den schlimmen Arm auf die Brust, ich packte ihn an den Füßen, und Mama und Jinx fassten ihn an der Schulter. Dann mühten wir uns über die Lichtung und durch den Wald, wobei wir nur ein paar Mal mit seinem Kopf gegen einen Baum krachten, bevor wir es zum Boot schafften. Dort legten wir ihn auf den Boden, lösten die Kette vom Schloss, kletterten hinterher und stießen uns ab.
    Ich war erst einigermaßen erleichtert, als wir die Flussmitte erreicht hatten und uns die Strömung erfasste. Jinx paddelte im Heck, und Mama musste so dicht an ihr dran sitzen, dass sie fast nicht mehr voneinander zu unterscheiden

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