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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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waren. Ich saß vorne und paddelte wie wild, wobei ich über das nachdachte, was ich zu wissen glaubte und worüber ich furchtbar wütend war und außerdem traurig und durcheinander. Mir war klar, dass es nichts brachte, sich den Kopf zu zerbrechen, jedenfalls nicht jetzt, obwohl es mich schier um den Verstand brachte. Ich wollte mit jemand darüber reden, hatte aber keine Ahnung, wie. Außerdem wusste ich, dass alles nur eine Vermutung war, ganz egal, wie sicher ich mir sein mochte.
    Größere Sorgen machte ich mir um Skunk, und darauf konzentrierte ich mich jetzt. Bestimmt spielte er nur mit uns, und mehr als einmal hatten sich mir an Land die Nackenhaare aufgerichtet, aber immer wenn ich mich umgedreht hatte, war da niemand gewesen. Den anderen gegenüber erwähnte ich davon nichts, dennich wusste nicht, ob wirklich was dahintersteckte, oder ob ich mir alles nur einbildete.
    Meine Hoffnung war, dass wir uns bis Gladewater in der Flussmitte halten konnten, vorausgesetzt ich würde überhaupt merken, wenn wir dort ankamen. Allerdings hatte ich auch furchtbar Hunger, und mein Magen knurrte wie ein Hund. Als wir uns schließlich einer Lichtung am Ufer näherten, wo ich ein Stück weg vom Fluss ein Haus entdeckte, vor dem Hühner herumrannten, hielt ich es nicht länger aus. Angesichts der Hühner lief mir das Wasser im Mund zusammen.
    Ich schaute zu Jinx rüber, aber sie sagte nichts, obwohl sie genau wusste, was ich dachte, denn sie nickte mir zu. Ich paddelte zum Ufer, und sie machte es mir nach. Ich und Jinx und Mama zogen das Boot ein Stück an Land, und dann sagte ich: »Ich und Jinx fragen mal, ob wir was zu essen kriegen. Mama, du bleibst hier bei Terry. Wenn da oben was schiefläuft oder du irgendwelchen Lärm hörst oder Skunk auftaucht oder wir ganz lange nicht zurückkommen, dann schiebst du das Boot rein und paddelst los, als wäre das der Jordan und drüben liegt das Gelobte Land.«
    »Seid vorsichtig«, sagte sie, und damit machten ich und Jinx uns auf den Weg zu dem Haus.
    Das Gebäude stand auf einer Anhöhe. Die Wiese davor sah nicht so aus, als wäre sie in letzter Zeit gemäht worden; das saftige grüne Gras stand hoch. Als wir näher kamen, flogen ein paar Wachteln auf, aber Hühner gab es keine. Ich und Jinx waren einigermaßen überrascht, dass hier nur große Wasservögel herumhüpften und nach Insekten suchten. Weiter weg war ein altes Viehgehege, von dem schon die Bretter abfielen, und ein Klohäuschen, das an der Seite ein Loch hatte.
    Ich und Jinx überlegten laut, was wir am besten machen sollten, und kamen zu dem Schluss, dass Ehrlichkeit vielleicht das Beste war – wir würden einfach um etwas zu essen bitten und aufdie Güte von Fremden hoffen. Inzwischen hatte ich solchen Hunger, dass ich mich mit einer Handvoll rohen Bohnen zufriedengegeben hätte.
    Da Jinx eine Farbige war, würde sie sich im Hintergrund halten und mir das Reden überlassen, jedenfalls wenn hier Weiße wohnten. Wenn es Farbige waren, war es besser, sie sprach mit ihnen. Aber vorerst rechneten wir mit Weißen, denn die waren oft äußerst verärgert, wenn ein Farbiger bei ihnen auf der Matte stand.
    Ich ging zur Tür, klopfte einmal fest dagegen und trat wieder einen Schritt zurück. Im Haus regte sich etwas, wie eine Ratte, die unter einer Zeitung hervorkroch, und bald ging die Tür auf. Vor uns stand eine alte Frau, so dünn wie ein Besenstiel und so krumm wie ein Hufeisen. Sie trug ein langes, ausgebleichtes blaues Baumwollkleid und eine schmutzige weiße Haube, die sie unter dem Kinn festgebunden hatte. Hier und dort lugte weißes Haar darunter hervor, und im Gesicht klebte ihr eine fettige Strähne; auf den ersten Blick sah das wie eine Narbe aus. Das Gesicht selbst war so dunkel wie altes Leder und hatte ungefähr so viel Charme wie ein festgestampftes Schlammloch.
    »Ma’am, ich und das kleine Mädchen hier würden fast alles essen, was Sie uns geben können. Dafür können wir Holz für Sie sammeln oder was anderes in der Art tun. Wir haben entsetzlichen Hunger.« Ich hielt es für besser, Mama und Terry vorerst nicht zu erwähnen.
    Die alte Frau musterte uns eingehend. »Was ist mit Erde?«, sagte sie schließlich.
    »Ma’am?«
    »Würdet ihr Erde essen?«
    Ich sah Jinx fragend an.
    Jinx sagte: »Das nicht, Ma’am. Irgendwo muss Schluss sein.«
    »Dann seid ihr gar nicht so hungrig«, erwiderte die Alte. »Sonst würdet ihr auch Erde essen.«
    »Jawohl, Ma’am«, sagte ich. »Vielen Dank, dass Sie sich

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