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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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hübschen Kopf herein. Daraufhin hielt ihr die alte Frau, ohne auch nur »Hallo« zu sagen oder »Wie geht’s«, die Pistole unter die Nase und fauchte: »Komm rein. Hier gibt’s genug zu tun.«
    Mama starrte die Pistole an und die Frau, die sie hielt, und dann fiel ihr Blick auf mich und auf Jinx mit dem Besen. Ich hatte inzwischen alle Stühle aufgerichtet und stand da und machte ein langes Gesicht.
    »Du hast’s wohl nicht mehr da unten ausgehalten«, sagte ich.
    »Ich hab mir Sorgen gemacht.«
    »Und ich hab eine Pistole«, sagte die alte Frau. »Los, komm rein ins Haus.«
    Mama kam rein und machte sich gleich an die Arbeit. Die alteFrau setzte sich wieder in ihren Schaukelstuhl, schaukelte vor und zurück und hielt die Pistole auf uns gerichtet.
    Ich schlurfte möglichst unauffällig zu Mama rüber und fragte: »Wo ist Terry?«
    »Unten am Fluss. Ich dachte mir, dem passiert schon nichts, während ich nach euch schaue.«
    »Ich hab dir gesagt, du sollst ohne uns weiterfahren.«
    »Du kannst mir sagen, was du willst, und ich mache, was ich will.«
    »Haltet die Klappe«, sagte die alte Frau.
    Wir spülten das Geschirr und räumten die beiden Zimmer in dem Haus auf. Dann dirigierte uns die Alte mit der Pistole nach draußen zu einem Holzstapel. In einem Holzklotz steckte eine Axt mit verrosteter Klinge. Drum herum lag Kleinholz verstreut, manches davon schon gespalten, das meiste jedoch in größeren Stücken mit den Zweigen noch dran. Irgendjemand hatte an ihnen herumgeschnitzt und es dann wieder gelassen. Neben dem Holzklotz stand, von hohem Gras umwuchert, eine Schubkarre.
    »Inzwischen brauche ich eine Ewigkeit, wenn ich was geschafft kriegen will«, sagte die alte Frau. »Früher konnte ich einen ganzen Baum fällen und Bretter daraus machen oder Brennholz oder Schindeln oder eine Schachtel Zahnstocher. Aber jetzt hab ich nicht mal mehr die Kraft, die Schubkarre zu schieben, vom Holzspalten ganz zu schweigen.«
    Sie wies Jinx an, die Axt zu nehmen und Holz zu hacken. Ich und Mama mussten Brennholz einsammeln und auf die Schubkarre stapeln. Dabei war die Alte verschlagen genug, uns nicht zu nahe zu kommen, vor allem nicht Jinx, die die Axt mit einer Begeisterung schwang, die nichts mit Holzhacken zu tun hatte. Jedes Mal, wenn die Axt heruntersauste, konnte man sich vorstellen, wie sie den Kopf der alten Frau vom Scheitel bis zum Kiefer spaltete.
    Während wir arbeiteten, musterte die Alte immer wieder Mamaund mich und fragte schließlich: »Ihr beiden, seid ihr irgendwie verwandt?«
    »Mutter und Tochter«, erwiderte Mama.
    »Ihr seht euch wirklich ähnlich, außer dass das Mädchen ein breiteres Kinn hat.«
    Das war bestimmt nicht als Kompliment gemeint, aber es überraschte mich, dass jemand fand, ich hätte was von Mama, und die Vorstellung gefiel mir sehr, selbst wenn ich ein breites Kinn hatte. Trotzdem, dass Terry unten am Fluss rumlag, passte mir überhaupt nicht, und ich beschloss, etwas zu tun, um das zu ändern, auch wenn es bedeutete, dass ich ein Risiko einging, denn wenn wir nicht bald von hier wegkamen, dann war er vielleicht tot. Oder Skunk kreuzte auf und murkste ihn ab.
    Ich legte einen Holzscheit in die Schubkarre und sah rüber zu der Alten mit ihrer Pistole. Hier draußen im Sonnenlicht konnte ich sehen, dass das Weiße in ihren Augen feucht und rot war, und ihre Pupillen waren so dunkel und nass wie Pekannussschalen. Außerdem hatte sie nur noch ein paar faulige Zähne im Mund.
    »Hören Sie, Ma’am. Unten am Fluss ist noch ein verletzter Junge, der mit uns gekommen ist. Wir wollten nur was zu essen und mussten ihn deshalb dort zurücklassen. Meine Mama sollte auf ihn aufpassen, aber sie hat sich’s anders überlegt.«
    »Ich hab mir eben Sorgen gemacht.«
    Ich ließ mich nicht ablenken. »Wir wollen keinen Ärger. Wir haben Ihr Haus aufgeräumt und Holz gehackt. Das dauert jetzt schon Stunden, und er liegt verletzt da unten. Ich will nicht erschossen werden, aber ich muss jetzt zu ihm und ihn holen. Um mehr geht’s dabei nicht. Aber wahrscheinlich müssen wir zu zweit sein, um das zu schaffen.«
    Die alte Frau schürzte die rissigen Lippen, und ihre Augen wurden schmal. »Ich sag euch was. Deine Mutter, die bleibt hier, und du und das Mädchen geht ihn holen. Ich schau ihn mir dann malan. Wenn ihr nicht bald wiederkommt, schieß ich deiner Mutter in den Kopf.«
    »In Ordnung. Aber Sie müssen uns ein bisschen Zeit lassen. Er ist ordentlich schwer und kann nicht laufen, also müssen

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