Dunkle Gewaesser
Schwester hat geheiratet und ist nach Norden gezogen. Mit einen gottverdammten Yankee, könnt ihr euch das vorstellen? Der als Soldat sogar gegen den Süden gekämpft hat. Mir wäre lieber gewesen, sie hätte sich mit einem Pferdedieb eingelassen.
Jedenfalls haben wir deswegen nie wieder ein Wort miteinander geredet oder uns geschrieben. Mein Bruder ist in den Krieg gezogen und nicht mehr zurückgekehrt. Vielleicht ist er gefallen, oder er ist drüben geblieben, das weiß niemand. Von ihm hat keiner mehr was gehört. Irgendwann musste ich das Haus und das Land verkaufen. Am hinteren Ende hab ich ein Stück behalten und mir diese Hütte bauen lassen, und hier wohne ich jetzt schon seit Jahren. Die, denen das Land gehört hat, das früher meins war, sind weggezogen, und jetzt ist es völlig überwuchert. Also gehört’s jetzt wohl wieder mir. Ich hab auch mal geheiratet, aber Hiram hat immer mit anderen Frauen rumgemacht. Also habe ich den Schweinehund erschossen und den Leuten erzählt, er wär weggelaufen.«
»Sie haben ihn umgebracht?«
»Der ist mausetot. Und außer mir und euch weiß das niemand. Bisher hab ich das für mich behalten, was wohl verständlich ist.Aber jetzt, in meinem Alter, was spielt das noch für eine Rolle? Vor rund fünfunddreißig Jahren hab ich ihn drüben am Waldrand begraben. Und vor etwa fünf Jahren hab ich auf der Wiese vor dem Haus einen Schädel gefunden, an dem, so wie’s aussah, ein Kojote rumgenagt hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Hiram war. Ich hab ihn mit der Axt zertrümmert. Damals war ich noch stark genug. Aber in letzter Zeit tut mir immer der Rücken weh. Ich kann mich einfach zu nichts mehr aufraffen. Jedenfalls seit ich das Maultier erschossen, gehäutet und gegessen hab. Ich wollte das nicht tun, aber ich hatte nichts mehr, um es zu füttern, und ich war selber hungrig. Das war ein braves altes Maultier, und wir beide haben zusammen so manches Feld umgepflügt. Aber wenn es in der Lage gewesen wäre, mich umzubringen und anstelle von Mais zu fressen, hätte es das bestimmt auch gemacht. Ich bin ihm halt zuvorgekommen.«
Ich musste trotz allem grinsen.
»Nachdem ich das Maultier getötet hab, war ich fix und fertig. So richtig hab ich mich davon nicht mehr erholt. Deshalb war ich auch froh, dass ihr hier aufgekreuzt seid.«
»Wir hätten auch für Sie geputzt, wenn Sie uns was zu essen gegeben hätten«, sagte ich. »Sie hätten uns nicht mit einer Pistole bedrohen müssen.«
»Die war doch leer.«
»Das wussten wir nicht.«
»Ich wollte, dass ihr dableibt. Im Grunde wusste ich wohl, dass daraus nichts wird. Aber in dem Moment hab ich’s für ’ne gute Idee gehalten.«
Zu meiner eigenen Überraschung tat mir die alte Frau jetzt sogar richtig leid.
»Vor was habt ihr denn alle Angst?«, fragte sie. »Vor irgendwas lauft ihr doch weg.«
»Wer sagt, dass wir vor was Angst haben?«, entgegnete Mama.
»Eure Augen«, sagte die alte Frau. »Ihr schaut euch andauernd um. Und jetzt habt ihr Türen und Fenster verriegelt.«
»Was geht Sie das an?«, fragte ich.
»Eigentlich nichts, außer wenn da jemand hinter euch her ist und ich zwischen die Fronten gerate. Ich finde, da hab ich ein Recht, das zu erfahren.«
»Sie haben alle Ihre Rechte verloren, als Sie uns hier gefangen gehalten haben«, sagte ich.
»Vielleicht sollten wir ihr’s doch erzählen«, sagte Mama. »Schließlich hat sie Terry das Leben gerettet.«
»Sie wollte doch nur sehen, ob sie noch jemand den Arm absägen kann«, erwiderte ich.
»Ich und deine Mama haben gute Arbeit geleistet, was?«, sagte die Alte. »Ich und sie haben den Jungen gerettet.«
»Ich hasse Sie trotzdem«, rief Jinx aus dem anderen Zimmer herüber.
»Na gut, hier ist die Kurzfassung«, sagte ich. »Wir haben ein paar Leute wütend gemacht. Jetzt sind wir unterwegs nach Kalifornien, und sie haben uns einen Mann namens Skunk auf den Hals gehetzt. Mehr müssen Sie nicht wissen.«
»Skunk?«, sagte die alte Frau, und ich schwöre, dass ich, obwohl es fast dunkel war und das Zimmer nur vom Kaminfeuer erleuchtet, sehen konnte, wie sie bleich wurde.
»Sie haben von ihm gehört?«, fragte ich.
Sie nickte. »Wenn dieser Höllenhund auf eurer Fährte ist, dann seid ihr so gut wie tot.«
»So schnell geben wir nicht auf«, sagte ich.
»Das spielt keine Rolle.«
»Für mich schon.«
»Wisst ihr was? Ihr solltet jetzt schnurstracks ins Schlafzimmer gehen, die Kugeln aus dem Garderobenschrank holen und die Pistole
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