Dunkle Gewaesser
selbst zu Rate zu gehen, aber jetzt wollte ich ihre Meinung wissen.
»Was machen wir nur, Mama?«
»Ein Arzt wäre das Beste«, sagte sie, »aber nicht mal ein Arzt könnte seinen Arm retten. Er ist schon verloren. Jetzt können wir nur noch verhindern, dass wir auch noch Terry verlieren. Besser wir verlieren nur ein Stück von ihm als alles.«
»Hört auf sie«, sagte die alte Frau.
»Wenn wir ihn nur gleich zu einem Arzt gebracht hätten!«, sagte Jinx.
»Wenn das Wörtchen wenn nicht wär«, kalauerte die Alte.
»Dann schneiden Sie ihn ab«, sagte ich mit Tränen in den Augen. »Aber machen Sie’s richtig! Sonst bring ich Sie um, knüpf Sie an einen Baum und schlag Sie mit einem Knüppel, so wie Ihr Vater und Ihre Brüder das mit dem armen Mann gemacht haben. Und Ihre Pistole können Sie sich weiß Gott wohin stecken!«
»Wenn du erst tot bist, spielt das auch keine Rolle mehr«, sagte die Alte. »Dann ist alles egal.«
»Machen Sie schon!«, sagte Jinx. »Damit wir es endlich hinter uns haben, Sie alte Hexe!«
»Ihr geht jetzt erst mal auf Abstand. Dich brauche ich, Frau«, sagte sie zu Mama. »Und ihr beide müsst genau machen, was ich sage, wenn ich euch rufe. Und achtet darauf, dass das Wasser heiß ist.«
Die alte Frau öffnete die Holzkiste, holte einen Ledergurt raus, legte ihn Terry oberhalb des Ellenbogens um den Arm und zog ihn mit einer Stahlschraube fest, die sie aus der Kiste genommen hatte. Dann nahm sie eine kleine Flasche raus und stellte sie auf den Boden.
»Da war früher Äther drin«, sagte sie. »Aber davon ist nichts mehr übrig. Er wird ohne auskommen müssen.«
»Zu was ist das gut?«, wollte Jinx wissen.
»Damit kann man jemand betäuben. Damit sie die Schmerzen nicht so spüren.«
»Und was kriegt Terry gegen die Schmerzen?«
»Nichts. Ich werde mich eben beeilen müssen. Kann gut sein, dass er aufwacht, und dann müsst ihr ihn festhalten. Den Kopf, die Arme und die Beine. Und wenn ihr mit dem Hintern auf ihm draufhockt, er darf sich nicht bewegen.« Sie verschränkte ihre alten, knorrigen Finger und ließ sie leise knacken. »Dann mal los.«
22
Die alte Frau zog den Ledergurt noch fester und drehte an der Schraube. Eiter lief Terry über Hand und Oberarm.
»Ich werd direkt unterhalb vom Ellenbogen schneiden – so weit unten wie nur möglich. Dabei werd ich ziemlich viel Knochen wegsägen und versuchen, die Haut möglichst großflächig zu erhalten, aber eine Menge davon ist faulig. Kann sein, dass es nicht reicht, um da einen ordentlichen Lappen rumzunähen. Dann muss ich’s direkt am Knochen verschließen, was nicht so gut ist. Aber wir nehmen, was wir kriegen.«
Die alte Frau blickte in die Runde. »Ich schieb die Pistole jetzt ein Stück weg, und ihr könnt sie euch schnappen, wenn ihr wollt. Ich bin nicht mehr stark genug, um euch dran zu hindern. Aber wenn ihr das macht, wird der Junge nicht operiert. Und wenn ihr wartet, bis er operiert ist, riskiert ihr, dass ich ihn nicht richtig vernähe. Ihr müsst mir die Pistole wohl oder übel lassen. Ich seh euch an, dass ihr was vorhabt, aber ich sag euch, wenn er das hinter sich hat, braucht ihr mich, damit er nicht den Abgang macht. Kann sein, dass ich das auch nicht verhindern kann, aber wenn er überhaupt eine Chance hat, dann nur, wenn ich mich um ihn kümmer.«
In der Kiste lagen Sägen und verschiedene Klingen. Die alte Frau nahm sich, was sie brauchte, und wies uns an, alles in den Topf mit Wasser zu werfen, das inzwischen wie wild kochte. Sie drehte noch ein wenig an der Schraube, um den Ledergurt anTerrys Arm fester zu ziehen. Terry stöhnte einmal und blieb dann wieder reglos liegen.
In der Kiste war auch eine Zange, und die mussten wir ins Wasser tauchen und damit die Instrumente rausholen und auf die Kiste legen. Ich dachte bei mir, dass die Kiste auch nicht allzu hygienisch war, aber daran ließ sich nichts ändern. Wir würden uns mit dem zufriedengeben müssen, was wir hatten, und das wusste ich auch.
Als die Instrumente ein wenig abgekühlt waren, klickte sie zwei davon mit den Händen, die auch nicht eben sauber aussahen, in die Sägengriffe und sagte: »Jetzt haltet ihn gut fest.«
Es war so schlimm, wie ich mir vorgestellt hatte. Zuerst nahm sie das Messer und schnitt ins Fleisch, und zwar tief, und Terry fing sofort an zu schreien. Er versuchte sich aufzusetzen, aber Jinx saß auf seinem Kopf wie ein Elefant auf einem Hocker. Ich hielt seine Beine umklammert und Mama seinen guten Arm, und die
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