Dunkle Gier: Roman (German Edition)
ableckte. Um die beiden anderen Vampire nicht auf die sich regende Macht aufmerksam zu machen, sandte Zacarias mit kleinen, sparsamen Bewegungen einen jähen, scharfen Wind durchs Gras. Gleichzeitig schärfte er die Ränder der Grashalme und verwandelte sie in bösartiges Sauergras.
Der Vampir rollte sich aufschreiend zur Seite und presste die Hand an den blutenden Mund. Tiefe Schnitte hatten die schwarze Zunge und die Lippen des Untoten überzogen. Zacarias machte sich nicht einmal die Mühe, sein Werk in Augenschein zu nehmen, sondern ließ den Blick nur prüfend über den Boden, die Bäume und sogar den Himmel gleiten. In den dunklen Wurzeln eines Kapokbaumes bewegte sich ein Schatten, und obwohl es nur eine fast unmerkliche Bewegung war, genügte sie. Zacarias schloss den Schnitt an seinem Handgelenk und entfernte jeglichen Geruch von Blut von sich. Dann ließ er sich von den wechselhaften Winden in die Richtung des Regenwaldes treiben, geradewegs zu diesem hohen, beeindruckenden Baum hin, der sich wie ein stummer Wächter über dem Dach der Baumkronen erhob.
Weder Fledermäuse hingen an den Wurzeln noch hockten Vögel auf den Ästen. Die Blätter des Baumes waren welk und zitterten, doch am Stamm lief kein verräterischer Saft herab, was ein Anzeichen für Baumkrebs wäre. Da war nur die kaum merkliche Bewegung, die Zacarias aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte. Der Wind hatte sich zu einer sanften Brise gelegt, von der Zacarias sich geradewegs in den großen Wurzelkäfig unter dem Baum hineintragen ließ. Der widerliche Geruch, der ihm entgegenschlug, verriet ihm, dass er seiner Beute nahe war.
Sowie er sich im Schutz des ausgedehnten Wurzelkäfigs befand, achtete er sorgfältig darauf, sich völlig reglos zu verhalten. Der Boden war mit Fledermauskot und kleinen Früchten übersät. Zacarias sah sich das Wurzelsystem an und konnte feststellen, wo der Untote dort eingedrungen war. Obwohl er sich bemüht hatte, den Baum selbst nicht zu berühren, hatte er doch eine der dicken Rippen gestreift, die sich über den Waldboden erstreckten und ihn verdunkelten. Der Brandfleck an der Wurzel war jedoch nur klein und schwach, was darauf schließen ließ, dass der Vampir schlau und weitaus vorsichtiger als die meisten war.
Zacarias wusste, dass er sich in einem geschlossenen, engen Raum mit einem anderen Raubtier befand, einem bösartigen und listigen, das bereit war, seinen Gefährten dem Jäger zu opfern, um einen Karpatianer töten zu können. Eine falsche Bewegung könnte den Tod bedeuten, doch Zacarias verspürte weder Furcht noch Unruhe. Er war nun durch und durch Krieger – und er machte keine Fehler. Seine Geduld war grenzenlos. Früher oder später würde dieser Vampir sich regen, um zu sehen, was auf dem Feld vorging. Er würde seinen Gefährten durchs Gras kriechen und sich Arme, Beine und den Bauch zerschneiden sehen. Mittlerweile hatte der Ehrlose Zacarias’ machtvolles Blut probiert, und der unmerkliche psychische Zwang, mit dem es unterlegt war, würde bei ihm wirken und seine Sucht verstärken, bis nichts anderes mehr zählte als der Geschmack dieses besonderen Blutes.
Zacarias wartete im Dunkeln und versuchte, den Gestank des verfaulenden Fleischs des Untoten nicht einzuatmen. Der Baum stöhnte, was das einzige andere Geräusch war neben dem unaufhörlichen Gejammer des Mannes ohne Ehre, der auch weiterhin den Boden nach den kostbaren Blutstropfen absuchte. Das Sauergras zerschnitt ihm Hände, Arme und Bauch, ja sogar Gesicht und Zunge, doch die schreckliche Gier nach immer mehr von diesem machtvollen Blut zeigte schon Wirkung.
Eine vorsichtige Bewegung links von Zacarias verriet ihm die Position des Feindes. Der Vampir schlich leise vor, um einen besseren Blick auf das Feld zu gewinnen. Die Kreatur wurde des Wartens müde. Sie fragte sich allmählich, ob Zacarias tatsächlich dort war oder nicht. Er war nicht in die Sturmwolke gerast, wie Ruslan prophezeit hatte, und er hatte sich auch nicht gezeigt. Sie waren der Blutspur gefolgt und hatten frisches Blut gewittert. Vielleicht, so mutmaßten sie bestimmt, war Zacarias an einen anderen Ort geflohen, um sich von einer Wunde zu erholen, die höchstwahrscheinlich tödlich war.
Als karpatianischer Jäger hatte er schon alles gesehen und wusste sehr gut, was in den Köpfen seiner Gegner vorging. Geduld gehörte nicht zu den starken Seiten des Nosferatu, auch wenn der dritte Verschwörer sich bisher noch nicht verraten hatte. Lautlos und ohne die
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