Dunkle Gier: Roman (German Edition)
stampften ruhelos im Stall. Sie vermissten sie, wie Zacarias sie vermisste. Von einem warnenden Frösteln angetrieben, entfernte er sich vom Hof und ging auf den an sein Land angrenzenden Regenwald zu. Dabei lauschte Zacarias aufmerksam den nächtlichen Geräuschen. Was er hörte, war jedoch nur der übliche Chor der Insekten, in den die Frösche einstimmten, das gelegentliche Muhen der Rinder und Stampfen der Pferde. Trotzdem war da ein Laut … oder auch das Fehlen eines Lauts. Vielleicht war es aber auch nur pure Einbildung. Doch egal, was er sich auch sagte, er wurde das ungute Gefühl nicht los. Irgendetwas stimmte nicht mit seinem Magen.
Die Sorge um Marguaritas Sicherheit stand jedoch im Vordergrund seiner Überlegungen. Seit Estebans und DS’ Tod war es auf der Ranch verhältnismäßig ruhig gewesen. Selbst Cesaro hatte sich vom Herrenhaus ferngehalten. Er hatte ihm Blut gegeben, wann immer Zacarias zu ihm gekommen war, und schien sogar ein wenig entspannter in seiner Gegenwart zu sein, doch Zacarias war nicht der Gesellschaft wegen zu ihm gegangen, sondern ausschließlich zur Nahrungsaufnahme. Zacarias’ Wachsamkeit erhöhte sich, als er jetzt um den Zaun herum zum hinteren Teil des Besitzes ging.
Zacarias suchte den Bereich nach leeren Stellen ab, die darauf hinweisen könnten, dass ein Vampir sich in der Nähe aufhielt. Aber alles schien zu sein wie immer, in perfekter Ordnung – zu perfekt vielleicht. Zacarias war sicher, dass ein Angriff unmittelbar bevorstand, doch aus welcher Richtung würde er kommen? War dies nur ein weiterer Versuch Ruslans oder eine echte, tödliche Attacke? Er hörte Geflatter in den Bäumen, und Vögel flogen auf. Ohne den Kopf zu wenden, ließ er den Blick über die dichte Baumgrenze gleiten, die den Regenwald umschloss. Glänzende Augen schauten zurück.
Augenblicklich durchflutete Zacarias Ruhe. Er erweiterte sein Bewusstsein und konzentrierte alle Sinne darauf, die Gefahr zu finden. Ja, diesmal war es nicht nur ein Versuch. Die unaufhörliche Bewegung im Blätterdach kündete von mehr und mehr Vögeln, die sich dort oben zu versammeln schienen. Zacarias wollte seine Gegner so weit wie möglich von der Hazienda wegführen, um weder Marguarita, die Arbeiter noch die geliebten Pferde seiner Frau bei dem bevorstehenden Kampf in Gefahr zu bringen. Er war froh, dass Marguarita noch in der Erde ruhte. Dort würde ein Vampir ihre Anwesenheit nicht spüren können.
Soweit seine Feinde wussten, hatte er keine Seelengefährtin. Und da er ohne sie die Gefühle nicht kannte, die die meisten karpatianischen Jäger erlangten, wenn sie die andere Hälfte ihrer Seele fanden, hatte Zacarias in dieser Hinsicht Glück und Pech zugleich. Sein Mangel an Gefühl würde ihm im Kampf jedenfalls eine große Hilfe sein. Mit den gleichen gemächlichen, geschmeidigen Schritten wie vorher ging er weiter und lockerte schon einmal die Muskeln. Sein Atem kam ruhig, sein Herz schlug gleichmäßig und stark.
Der Wind frischte auf, aber fast unmerklich nur. Die Wipfel der Bäume schwankten ein wenig mehr, und die Blätter raschelten leicht. Eine wellenförmige Bewegung ging durch das Gras: Sie war ohne Frage der einleitende »Schachzug«. Eine Schlacht war für Zacarias immer ein bisschen wie eine Schachpartie. Der Kampf war seine Welt, und er verstand etwas davon, kannte alle Feinheiten und war ein Meister der Strategie.
Für den Moment behielt er die entspannte Gangart bei und ging langsam immer näher auf den Zaun und die Bäume zu. Der Regenwald lag scheinbar still und dunkel da. Ein stetiger Regen fiel. Die kleinen Tropfen änderten ein wenig die Richtung, als der Wind von den Bäumen weg und zur Hazienda hinüberblies. Am Zaun entlang fiel der Boden ein wenig ab, und das Gras war etwas höher. Zacarias schlenderte langsam dort entlang und behielt die Vögel im Auge, die sich im Dunkel des Regenwaldes versammelten. Im Gehen ließ er die Arme locker an den Seiten baumeln, doch seine Hände woben in Wirklichkeit ein Muster.
Er bemerkte kaum den kühlen Regen, der stetig aus den dunklen Wolken über ihm herunterfiel. Dann aber fiel ein Tropfen auf seinen Nacken und verätzte ihm die Haut. Während Zacarias instinktiv den Schmerz verdrängte, warf er sich das Schutznetz, das er gewoben hatte, über den Kopf und rannte auf den Wald zu, damit der Kampf fern von der Ranch und Marguarita stattfand.
Eine Sintflut kleiner, säurehaltiger Tropfen stürzte vom Himmel herunter, während der Wind noch mehr
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