Dunkle Gier: Roman (German Edition)
Termitenhügeln aus, die die Lampe gerade noch rechtzeitig erfasste, um ihnen auszuweichen. Warum war sie so zwanghaft bemüht gewesen, Zacarias de la Cruz zu retten? Weil sie nicht anders gekonnt hatte. Nicht einmal, als er es ihr befohlen hatte, hatte sie ihn in der Sonne liegen lassen können.
Sie war nicht zimperlich. Schließlich war sie auf einer Ranch aufgewachsen und trug ihren Teil zur Arbeit bei, auch wenn sie noch so schwierig war, und deshalb ignorierte sie die Seitenstiche nun und sprang über einen der vielen Bäche, die bergab liefen, um sich mit dem Flusssystem dort zu vereinen. Es war ein mühsamer Aufstieg an den Hügeln, da der Boden so matschig war, dass sie sich manchmal auf alle viere niederlassen musste, um überhaupt irgendwie Halt zu finden. Und die ganze Zeit über zerbrach sie sich den Kopf über ihr merkwürdiges Verhalten. Seit ihrer Geburt war sie gewissermaßen darauf programmiert, den Brüdern de la Cruz zu gehorchen. Sehr oft ging es in ihrer Welt um Leben oder Tod, und ein einziger falscher Schritt konnte eine Katastrophe für die Bewohner der verschiedenen Haziendas bedeuten. Sie alle kannten die Gefahr, die ihnen durch Vampire drohte. Untote waren leider Bestandteil ihrer Welt.
Ein kleines Aufschluchzen entrang sich ihr. Karpatianer ernährten sich von menschlichem Blut, aber sie töteten nicht. Vampire schon. Marguarita verstand nicht ganz den Unterschied zwischen beiden, doch sie wusste, dass der Grat schmal war und sie Zacarias irgendwie darüber gestoßen hatte. Und was hatte sein Blut bei ihr bewirkt?
Nach dem Vampirangriff war sie mit zerfetzter Kehle erwacht, unfähig zu sprechen und aus der Bahn geworfen, aber all ihre anderen Sinne waren geschärft durch das Blut, das Zacarias ihr gleich nach dem Angriff gegeben hatte, um ihr das Leben zu retten. Ihre Sicht zum Beispiel war viel besser. Sie konnte Insekten im Gras erkennen und Vögel in den dicht belaubten Ästen sehen. Marguarita entdeckte winzige Frösche und Eidechsen, die sich zwischen Blättern und Schlingpflanzen versteckten. Auch ihr Gehör war schärfer. Manchmal glaubte sie, die Gespräche der Männer zu hören, wenn sie draußen auf den Feldern bei der Arbeit waren. Auf jeden Fall konnte sie die Pferde in den Ställen wahrnehmen.
Sie wusste, dass sich mit diesem ersten Blut, das Zacarias ihr gegeben hatte, um ihr das Leben zu retten, etwas in ihr verändert hatte. Ihr Haar, das schon immer dick gewesen war, wuchs sogar noch schneller und hatte einen neuen Glanz. Auch ihre Haut hatte einen Schimmer, der fast wie ein Leuchten war. Ihre Wimpern waren dichter und länger – alles an ihr war einfach irgendwie mehr geworden. Sie merkte, dass Julio näher bei ihr und der Hazienda blieb, wenn die anderen Arbeiter in der Nähe waren, und auch sie begann, sie als Männer wahrzunehmen, statt einfach nur als Menschen, mit denen sie aufgewachsen war. Sie spürte ihre Blicke, die ihr manchmal Unbehagen einflößten, weil sie befürchtete, dass es lüsterne Gedanken waren, die sie las. Nichts von all dem war vorher je geschehen. Und die Veränderungen waren nicht nur physischer Natur.
Eigentlich dürfte sie gar nicht in der Lage sein, so schnell eine solche Entfernung zurückzulegen, nicht einmal, wenn Tiere ihr als Führer dienten. Marguarita benutzte immer weniger ihre Stirnlampe und ließ sich mehr und mehr von ihrem Instinkt leiten. Sie konnte ihren eigenen Herzschlag hören, der sich zu einem langsamen, gleichmäßigen Rhythmus beruhigt hatte. Ihre Lunge hatte anfangs gebrannt und nicht genügend Luft bekommen, doch je weiter sie lief, desto besser arbeitete sie.
Ihre Haut kribbelte, wenn Hindernisse in der Nähe waren, ähnlich wie ein Radar, der ihr sagte, welche Richtung sie einschlagen oder wo sie auftreten musste, um sich schnell und sicher durch die Bäume zu bewegen. Die Fähigkeit zu sprechen hatte sie verloren, doch dafür andere, viel schärfere Sinne und Fertigkeiten gewonnen.
Marguarita hatte den Fluss schon seit geraumer Zeit gehört. Der Regen hatte die Erde durchweicht und die vielen Pfützen gespeist, sodass das Wasser nun bergab lief und den Weg des geringsten Widerstandes nahm, bis es zu dem schmalen Strom gelangte und die dunklen Wasser noch vertiefte und anschwellen ließ, bis es fast die Ufer überflutete. Der Wasserfall in der Ferne klang wie anhaltender Donner und erfüllte Marguarita mit Erleichterung, weil es bedeutete, dass der Fluss befahrbar war und tief genug, um sie schnell
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