Dunkle Gier: Roman (German Edition)
das Kanu hinter dem Wasserfall versteckt. Bis dorthin konnte sie zu Fuß gehen, dann würde sie das Boot hervorholen und einen der Wasserläufe nehmen, die den Amazons speisten. Bis zum Camp der Brüder de la Cruz war es von dort aus nicht mehr weit.
Marguarita war zufrieden mit ihrer Rolle im Herrenhaus und froh darüber, dass ihre Geschicklichkeit im Umgang mit Pferden anerkannt und gewürdigt wurde, doch sie liebte den Regenwald und das Gefühl der Freiheit, das er ihr gab. Sie wusste, dass Julio genauso empfand, und deshalb hatten sie sich schon als Kinder gegenseitig ermutigt, bei jeder Gelegenheit davonzulaufen, um ihn noch weiter zu erforschen. Julio hatte deswegen viel schlimmeren Ärger als sie selbst bekommen, obwohl auch sie natürlich zahllose Gardinenpredigten über die Pflichten einer Frau über sich hatte ergehen lassen müssen. Heute war sie froh über jeden Ausflug, den sie damals unternommen hatten.
Die glitzernden Lichtpunkte der Glühwürmchen in den Bäumen ermutigten Marguarita ein wenig. Unter den Baumkronen war die Nacht schwarz wie Tinte, obwohl der Wald nicht völlig dunkel war. Phosphoreszierende Pilze strahlten ein unheimliches Glühen aus. Nachtaktive Affen streckten den Kopf aus Baumlöchern, um Marguarita mit großen, runden Augen anzustarren, und ihre Anwesenheit machte deutlich, dass sie nicht verfolgt wurde – noch nicht.
Zacarias konnte während der Verfolgung jede Gestalt annehmen, und er war sehr schnell. Er konnte den Himmel benutzen und innerhalb von Minuten Strecken zurücklegen, für die sie Stunden brauchte. Sie musste rennen, um das Kanu rechtzeitig zu erreichen, und das war sehr riskant bei Nacht im Dschungel, doch sie hatte keine andere Wahl. Bis zur Morgendämmerung musste sie Zacarias entgehen. Sowie die Sonne aufging, konnte sie mit dem Kanu zu den Hütten der Brüder de la Cruz fahren und dort hoffentlich Hilfe herbeirufen. Zacarias würde weit entfernt sein, die Menschen auf der Hazienda würden vor ihm sicher sein.
Marguarita beschleunigte ihr Tempo und sprintete durch den Wald, weil sie zu einem Unterschlupf gelangen musste. Sie wollte nicht im Freien sein, nicht einmal unter dem Blätterdach. Wo die Bäume dicht standen, war kaum noch Licht, und sie musste ihre Stirnlampe benutzen, doch an diesen Stellen war der Boden auch nur karg bewachsen. Ohne Licht und Sonne war das Wachstum schwierig. Kleine Bäume mussten warten, bis ein alter umfiel und ein Loch ins Blätterdach riss, das den Sonnenschein hindurchließ.
Marguarita sandte eine Welle der Energie vor sich aus, um die Insekten auf dem Boden zu warnen, dass sie gleich vorbeikommen würde. Hoffentlich würden sie den Weg frei machen! Winzige bunte Frösche sprangen von Ast zu Ast und hielten sich mit ihren klebrigen Füßchen an der Rinde fest.
Marguarita versuchte, mit ihrer Kondition hauszuhalten. Sie legte zwar ein scharfes Tempo vor, aber eins, dass sie eine ganze Zeit lang würde halten können. Stunden. Es war noch lange hin, bevor die Sonne aufging. Sie sandte einen Hilferuf aus, eine Bitte, die intensiv genug war, um die Tiere in dem Baumkronendach über ihr zu wecken. Sofort erhielt sie Antworten. Affen gingen in Alarmbereitschaft, Vogelschwärme riefen einander, und alle hielten nach einem gemeinsamen Feind Ausschau.
Laub und Äste verbargen knorrige Wurzeln, die sie leicht ins Stolpern bringen konnten, aber im Licht ihrer Stirnlampe konnte sie die Tiere sehen, die aus ihren Löchern krochen, um sich auf den Wurzeln niederzulassen, damit sie im Laufen den Weg mit den geringsten Hindernissen wählen konnte. Marguarita bog um einen dicken Baum herum, und ein Wasserschwein saß gleich dahinter mitten auf dem Weg und sah sie an. Sie wich nach links aus, der einzig möglichen Richtung, und merkte im Vorbeilaufen, dass das Tier sie von einem Labyrinth aus Schlingpflanzen weggelenkt hatte, die sie mit Sicherheit zu Fall gebracht hätten.
Danach lief sie sicherer und verließ sich auf die Tiere, deren Gegenwart sie beruhigte, weil sie wusste, dass sie Alarm schlagen würden, sobald Zacarias näher kam. Sie würden ihn bemerken. Bestimmt reagierten sie genauso empfindlich auf seine Nähe wie die Pferde und die Rinder auf der Ranch. Sie hätte wissen müssen, dass Zacarias de la Cruz etwas Böses in sich hatte, als die Tiere auf der Ranch sich alle so unbehaglich gefühlt hatten.
Marguarita runzelte die Stirn beim Laufen. Ihre Lunge begann zu brennen, und ihre Beine schmerzten. Sie wich einer Reihe von
Weitere Kostenlose Bücher