Dunkle Gier: Roman (German Edition)
dürfen, sondern von Anfang an ein Krieger gewesen war, durch und durch. Zum ersten Mal sah sie Leid und Schmerz in seinen Augen. Das Gefühl war tief und real, und als sie an seinen Geist rührte, hätte sie um ihn weinen können. Zacarias schien die Tiefe seines Kummers jedoch nicht einmal bewusst zu sein, oder vielleicht gestand er sich auch nur keine Gefühle ein, aber ihr zerriss es fast das Herz für ihn.
Er war vollkommen unabhängig und brauchte niemanden. So mächtig … und so unsagbar allein. Er fügte ihr Schmerz zu, jagte ihr eine Höllenangst ein und versorgte dann mit schier unglaublicher Sanftheit ihre Wunden. Vielleicht war er ein bisschen sonderbar, nachdem er so lange ganz allein gewesen war. Wann immer er etwas in seiner Sprache zu ihr sagte, wurde seine Stimme weicher, wie ein Streicheln fast, und seine Worte umhüllten sie wie starke Arme. Dummerweise erweckten diese Einsamkeit und Verwilderung in ihm Marguaritas Mitgefühl, denn schon suchte ihr Geist wieder die Verbindung zu seinem. Sie versuchte, ihn zu beruhigen, und sandte ihm Wärme und Verständnis.
Ohne nachzudenken, hob sie die Hand, um die tiefen Linien in seinem Gesicht zu berühren, und schrak zusammen, als er ihr Handgelenk ergriff. Ihr Handgelenk schmerzte von der Kraft, mit der er es umklammerte. Überhaupt war sein ganzer Körper hart wie ein Kapokbaum, kein bisschen nachgiebig oder flexibel. Seine Finger umschlossen ihr Gelenk wie eine Eisenschelle, sodass es ihr unmöglich war, die Hand zurückzuziehen. Ihr Herz begann wieder, wie wild zu pochen. Als sie blinzelnd zu Zacarias aufblickte und sein Gesicht sah, entwich der Atem zischend ihrer Lunge. Ohne auch nur nachzudenken, hatte sie es wieder einmal geschafft, den Tiger in ihm aufzuwecken.
Es tut mir leid. Wirklich.
Der Argwohn in seinen Augen war so sehr der eines misstrauischen wilden Tiers, dass sie den Strom des Mitgefühls und der Wärme von ihrem Geist in seinen nicht mehr bremsen konnte. Ihr war, als müsste sie diesen Mann beruhigen. Er gehörte nicht in ein Haus. Es war ausgeschlossen, seine Macht oder wilde Natur in vier Wänden einzusperren. Marguarita konnte sich nichts und niemanden vorstellen, der sich in seiner Nähe wohlfühlen würde. Mit seiner herrischen Art dominierte er jeden Raum, und seine aristokratische Haltung und unbeugsame Autorität verstärkten nur die Furcht erregende Aura, die ihn ohnehin umgab.
»Wolltest du mich streicheln wie ein Hündchen?«
Die Frage tat weh, obwohl kein Sarkasmus in seiner Stimme mitschwang. Marguarita befeuchtete die plötzlich trockenen Lippen und schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, was sie falsch gemacht hatte. Hätte sie ihr Schreibzeug, könnte sie vielleicht versuchen, es zu erklären, aber so? Wie sollte sie ihm mit bloßen geistigen Eindrücken zu vermitteln versuchen, wie sich ihre sonderbare Fähigkeit offenbarte?
Nicht einmal sie selbst war sich sicher, wie ihre Gabe wirkte. Sie wusste nur, dass alles in ihr auf die Wildheit in ihm reagierte, auf die gequälte Seele, die so spröde, einsam und bedürftig war. Und er wusste nicht einmal von seiner Bedürftigkeit. Wie sollte sie ihm sie aufzeigen, wenn sie nicht mal eine Stimme hatte?
Es tut mir leid , wiederholte sie im Geiste.
Zacarias’ Miene blieb unbewegt, als er ihre Fingerspitzen an sein Gesicht legte und sie dort festhielt. »Entschuldige dich nicht! Ich bitte ja auch nicht um Entschuldigung.«
Ihr Magen schlug einen seltsamen kleinen Purzelbaum, als sie seine Haut unter den Fingerspitzen spürte.
»Wenn du mich berühren willst, meine Erlaubnis hast du.«
Zum ersten Mal, seit der Vampir sie angegriffen hatte, war Marguarita froh, dass sie nicht sprechen konnte. Es gab keine Worte, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Sie hätte verärgert sein müssen über Zacarias’ aristokratisch herablassendes Gebaren, doch stattdessen war sie nur versucht zu lächeln.
Sie hatte keine Erklärungen. Es gab keine … Was für ein psychischer Zwang auch immer ihm Sorgen bereitete, er wirkte sich ganz offensichtlich auch auf sie aus. Und ohne ihr Schreibzeug fühlte Marguarita sich nackt, verwundbar und außerstande, sich zu verständigen. Sie schluckte und nickte. Ist er vielleicht der Meinung, ich soll ihm für seine Erlaubnis danken?, überlegte sie in einem Anflug von Hysterie.
Er zog die Hand zurück, ließ die ihre aber an seiner unrasierten Wange liegen. Sie strich über das stoppelige dunkle Barthaar und fühlte, wie ihr Herz diesem Mann
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