Dunkle Gier: Roman (German Edition)
anrichten würden, statt sich über ihren Trotz zu ärgern. Ohne den Blick von ihrem Gesicht zu wenden, spuckte er in die Hände. Sein Speichel hatte nicht nur eine heilende Wirkung, sondern enthielt auch eine betäubende Substanz, die Marguarita den Schmerz nehmen würde. Zacarias’ Hände umfassten fast vollständig die schmale Frauentaille, als er seine Handflächen auf die Einstichwunden legte und behutsam seinen Speichel darauf verrieb.
»Dir wird warm werden, aber der Schmerz müsste vergehen«, versicherte er ihr.
Sie zitterte so heftig, dass er nicht sicher war, ob sie sich auf den Beinen würde halten können, und sie starrte ihn mit dem gleichen Ausdruck an, den er bei Beutetieren von Kobras gesehen hatte. Marguarita war wie gelähmt und wirkte überaus verängstigt, aber sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden.
»Hör auf, mich zu fürchten!« Zacarias hatte ihr Angst einjagen wollen, ja, doch nun wünschte er, er könnte sie zurücknehmen. Marguarita sah furchtbar zerbrechlich, verwundbar und unsagbar allein aus. »Ich werde nicht zulassen, dass dir irgendetwas zustößt. Es ist meine Pflicht, auf dich aufzupassen und für dich zu sorgen.« Und das war die reine Wahrheit. Denn nichts würde ihm diese Frau wieder nehmen können – schon gar nicht der Tod. Durch ein Wunder – oder einen teuflischen Trick – erwachte er endlich zum Leben, er fühlte sich, als wäre er wiedergeboren worden, und er war endlich wieder an etwas interessiert.
Zacarias blickte sich in dem Zimmer um und sah wie immer alles grau in grau. Als er den Blick jedoch wieder auf Marguarita richtete, konnte er Farbe erwachen sehen, schwach nur, aber doch klar erkennbar. Ihre Wimpern waren von dem gleichen erstaunlichen Schwarz wie ihr dichtes Haar. Große Augen, dunkel wie Bitterschokolade, erwiderten seinen Blick. Ihre Augenbrauen waren ebenfalls schwarz und ihre Lippen definitiv rosa. Die Fähigkeit, Farben zu sehen, konnte einem Karpatianer nur von seiner Seelengefährtin zurückgegeben werden. Das Gleiche galt für Emotionen – und was sonst könnten seine heftigen Reaktionen auf sie sein? Dass sein Körper auf sie reagierte, war problematisch, aber auch beglückend – falls er tatsächlich so etwas wie Glück empfinden konnte. Doch eine Seelengefährtin hätte diese Dinge augenblicklich wiederhergestellt …
Erst vor ein paar Monaten hatten Magier die Nachbarranch bezogen und nur auf den rechten Augenblick gewartet, um die Familie de la Cruz vernichten zu können. Dominic und Zacarias hatten das verhindert, doch es bestand dennoch eine geringe Chance, dass das Bündnis zwischen den Meistervampiren und den Magiern gehalten hatte und Letztere zu einem weiteren Versuch zurückgekommen waren. Wäre Marguarita jedoch vom Zauber eines Magiers beeinflusst, hätte Zacarias das gemerkt. Und dennoch … egal, wie oft er sich das sagte, trotzdem wuchs die Furcht in ihm, dass er die wahre Erklärung kannte.
Falls Marguarita wirklich seine Seelengefährtin war, musste etwas schiefgegangen sein, und er fürchtete, die Antwort auf die Frage, was es war, bereits zu kennen. Er hatte sie nicht rechtzeitig gefunden. Seine Seele war schon so angeknackst, dass der Schaden nicht mehr zu beheben war. Seine andere Hälfte würde sich nicht mit ihm vereinen und Licht in das Dunkel in ihm bringen können. Es war nicht überraschend, dass er ein hoffnungsloser Fall war; wahrscheinlich war er schon so geboren worden. Aber dennoch hatte es eine Zeit gegeben, in der er von diesem Moment geträumt hatte, in der er sich eine Seelengefährtin erträumt und sich sogar auf die Suche nach ihr begeben hatte.
Zacarias’ Handflächen wurden feucht, als er Hitze aus seinem Körper in ihren sandte. Sie rang nach Atem, und er übernahm für sie das Atmen. Er beruhigte sie, bis die Luft wie von selbst durch seinen Körper in ihren floss und ihr Atem dem ruhigen Rhythmus des seinen folgte. Ihr Herz dagegen schlug so wild, dass Zacarias befürchtete, sie könnte einen Herzanfall erleiden.
»Atme einfach nur, mica emni kunenak minan – meine schöne kleine Närrin!« Ungewollt klang Kummer in seiner Stimme mit, Trauer um das, was er schon lange verloren gehabt hatte, bevor er es überhaupt gefunden hatte.
Marguarita blickte zu Zacarias de la Cruz’ markanten Zügen auf. Es war ein Gesicht, das wie aus Stein gemeißelt und geprägt von Kampf und Alter war, aber immer noch eine ganz spezielle Schönheit hatte. Dies war ein Mann, der nie ein Kind hatte sein
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