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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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hatten sie vor den anderen Schiffen fliehen müssen, es war die einzige Möglichkeit. Sie hatten nicht auf einen Kapitän warten können, der wahrscheinlich ohnehin tot war. Und Edward? Hatte er es geschafft, an Bord zu kommen? Ich wusste, er hätte mich nicht freiwillig dagelassen. Ich ließ mich auf den Boden plumpsen. Es konnte nicht wahr sein. Edward überlebte immer. Als ich an William dachte, wurde mir klar, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Er hatte jetzt nur noch Fanny und hoffentlich Edward. Und wer kümmerte sich um die beiden? Ich verbarg das Gesicht in den Händen.
     
    Vielleicht ist mir noch immer nicht klar, dass ich wirklich sterben muss. Ich bin ganz allein hier auf der Insel. Nicht einmal die Engländer sind noch da. Und die Fate wird nicht wiederkommen. Für sie bin ich schon tot.
     
    Ich weiß nicht, wann ich aufgestanden und ins Innere der Insel gegangen bin. Ich suchte nach den Toten und fand einige meiner Männer sowie einen Engländer. Edward war nicht darunter. Bis vor kurzem waren sie an meiner Seite gewesen, voller Leben und guten Mutes. Jetzt waren sie blass und starr. Meine Männer schaffte ich alle zu der Klippe und schickte sie Thomas hinterher. Sie waren Teil meines Lebens gewesen, jeden Tag. Als das erledigt war, fühlte ich mich unendlich einsam und planlos. Ich kehrte zum Strand zurück, hoffte noch immer, dass sie zurückkommen würden, sobald sie die Engländer abgehängt hatten. Aber niemand kam, an diesem Tag nicht und auch nicht am nächsten.
     
    Ich bin noch immer warm von Leben und trotzdem schon tot, kalt wie Thomas. Niemand wird mich begraben, weder an Land noch im Meer. Ich werde ganz allein sein, wenn ich sterbe. Die Schlange hat mich gefunden und gebissen. Der Biss tötete mich nicht sofort, das wird die Zeit erledigen.
    W as sind schon die Tränen eines Einzelnen angesichts dieses riesigen Salzmeers, das mich umgibt?
     
    Irgendwann später, Insel
    Mein Leben auf der In sel verbringe ich wie ein Tier. Sie scheinen mich sogar als ein seltsames Exemplar ihrer selbst zu betrachten und fürchten sich kaum. Ich suche ihre Gesellschaft, doch sie werden meinen toten Leib zerreißen, sobald das Leben daraus gewichen ist. Die Verzweiflung ist mein ständiger Begleiter geworden. Ich versuche zu schreiben, um mich nicht völlig zu verlieren, aber meine Worte werden immer wirrer. Selbst mein Tagebuch, das ich immer bei mir trage, kann mich nicht vor diesem Prozess des Sichverlierens bewahren. Dies ist eine Art der Einsamkeit, die ich bis jetzt nicht kannte.
    Nach einigen Erkundungen habe ich das Eingeborenendorf als geeignetste Unterkunft befunden. Ich richtete mich in einer Ecke der größten Hütte ein, wo es nicht auf mich herunter regnete, denn das tat es oft. Feucht wurde ich trotzdem. Weiter unten entdeckte ich einen kleinen Bach, aus dem ich trinken konnte. Aber zu essen habe ich nichts. Wie lange werde ich wohl überleben können ohne Nahrung? Es ist ein Irrwitz, inmitten dieser üppigen Gegend zu verhungern, doch ich kenne weder die Früchte hier noch kann ich jagen. Immerhin scheint es keine großen Raubtiere zu geben, zumindest sah ich noch keines. Aber der tote Engländer ist inzwischen vollständig verschwunden, nur ein paar zernagte Knochen liegen hier und da herum.
     
    -
    Ich habe das Zeitgefühl verloren, obwohl ich versucht habe, Striche an einem Baum anzubringen. Ich habe es nur unregelmäßig getan und es schließlich ganz unterlassen. Tatsache ist, ich tue gar nichts mehr, außer auf der Insel umherzustreifen und hungrig nach Essen zu suchen. Meine Menschlichkeit schwindet jeden Tag mehr. Bald werde ich gar nicht mehr schreiben. Vielleicht wird jemand einst dieses Buch finden, bevor es verschimmelt ist, in den Armen eines Skeletts, das einmal einer lebendigen Frau gehört hat, deren Leben ein in sinnlose Brocken zerstückelter Fehler war. Aber ich glaube nicht, dass so oft jemand herkommt. Mein Andenken wird mit Edward und Fanny schwinden. William ist zu klein, er wird eine andere als seine Mutter betrachten. Den Gedanken an sie ertrage ich nicht und dennoch quälen sie mich. Ich habe mich an das Geisterdorf - so heißt es nun offiziell - gewöhnt. Habe sogar das Dach ausgebessert. Jetzt werde ich weniger nass.
     
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    Am Strand gibt es jeden Morgen angespülte Muscheln, die ich aufsammle und von denen ich mich ernähre. Meine letzte Kugel verschwendete ich auf einen fetten Vogel, den ich roh gegessen habe und von dem ich schreckliche Bauchschmerzen

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