Dunkle Häfen - Band 1
stumm. Es war seltsam, etwas so Warmes und Lebendiges an mir zu spüren, seine geliebte Stimme zu hören. Am liebsten hätte ich Edward niemals wieder losgelassen.
Die Mannschaft begrüßte mich verhalten, als ich mit Edward zum Schiff ging. Sie blickten mich fast scheu an, so fremd wirkte ich. Darum würde ich mich später kümmern. Mit jedem Schritt kehrte ich in mein altes Ich zurück.
"Wo ist Fanny?" , fragte ich rau.
Ich wagte nicht, William zu erwähnen, aus Furcht, etwas Schreckliches zu erfahren. Aber Fanny stand schon an der Reling und starrte zum Strand herüber. Als Edward mich in ein Beiboot schob, verschwand sie. Ich hatte nichts, was ich von der Insel mit in die Welt der Menschen mitnehmen könnte, so kehrte ich nicht noch einmal in das Dorf zurück, in das ich Leben gebracht hatte und das nun wieder verschwinden würde.
Sie ruderten mich zum Boot und mir war wie in einem Traum, bei dem ich nie geglaubt hätte, dass er wahr werden könnte. Sobald ich in Deck trat, tauchte auch wieder Fanny auf. Sie hielt ein Bündel im Arm, das sie mir in die Arme legte, als ich keine Anstalten machte, mich zu rühren. Hinter mir drängten sich die Männer an Bord. Ohne mich zu bewegen, betrachtete ich das Kind auf meinem Arm, das sich gerade anschickte zu schreien. Dann blickte William mich erstaunt an und ich spürte, er erkannte mich. Auf die Erleichterung, die darauf folgte, war ich kaum gefasst. Ich hatte gefürchtet, dass die Bindung zwischen uns gerissen war. Er sah recht gesund aus. Langsam hob ich den Kopf, als ich bemerkte, dass sie mich alle beobachteten.
Natürlich, ich war wieder Kapitän und es war an mir, den Befehl zum Abfahren zu geben. Ich streckte mich und erteilte diese gewohnte Anordnung, die mir jetzt sehr schwer über die Lippen kam. Dennoch entging mir ihr kurzes Zögern nicht, das mir zeigte, dass meine Position in meiner Abwesenheit angegriffen worden war.
Ich stand an der Reling, als die Insel, die mir ein unwilliges Heim geworden war, ein Gefängnis, eine Falle, verschwand. Sobald wir auf See waren, konnte ich mich endlich in meine Kajüte zurückziehen und vor den Augen der Mannschaft fliehen.
Edward hat mir erzählt, dass sie nahe davor waren, ihn da rauszuwe rfen und einen anderen in meine Kajüte einziehen zu lassen. Was das bedeutete, war offensichtlich. Ich wollte mich jedoch noch nicht damit befassen, da man mich wieder recht selbstverständlich als Kapitän akzeptiert hatte, schien es weniger wichtig. Edward erzählte mir, was in der Zwischenzeit vorgefallen war.
"Als wir das Schiff erreicht hatten, fehlten einige der Mannschaft. Die Zeit drängte, dennoch warteten wir eine Weile. Ein paar kamen noch, dann konnten wir nicht mehr bleiben. Ich wollte weiter warten, doch die Männer schleiften mich aufs Schiff. Sie hat ten Angst. 'Das ist Selbstmord', sagten sie und hatten wohl recht. Aber sie meinten auch, du seist sowieso schon tot. Auf jeden Fall waren die Engländer bereits ganz nahe, als wir die Bucht verließen. Ein bisschen später.... Trotzdem, es tut mir leid...."
"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Was die Mannschaft getan hat, war vollkommen richtig. Ich bin froh, dass sie dich mitgenommen haben. Es wäre völlig sinnlos gewesen, dich zu opfern und ich habe dich lieber lebendig als tot. Auch wenn es tapfer ist, Edward, du musst erkennen, wann du etwas für deine Leute tun kannst. Und wann nicht. Wenn ihr geblieben wärt, wären wir jetzt alle tot."
Das klang so einfach. Tatsache war allerdings, dass ein törichter Teil von mir beleidigt war, weil man mich so skrupellos im Stich gelassen hatte. Und ich konnte die Ängste, die ich ausgestanden hatte, nicht einfach wegschieben. In mir war ein fast kindliches Vertrauen gestorben, während ich am Strand stand und die Stelle anstarrte, wo die Fate gewesen war. Es war eine irrationale Beschuldigung, sie widersprach der Vernunft und war zudem noch selbstsüchtig, aber ich konnte nicht anders.
Mit halbem Ohr lauschte ich Edward, der seine Geschichte fortsetzte.
"Als wir dann ein großes Stück entfernt waren, wollten sie immer noch nicht umkehren. Es sei zu gefährlich, die Engländer konnten noch auf der Insel sein. Nach einigen Tagen machten sie weiterhin keine Anstalten und da war klar, dass sie nicht zurückkehren würden. Sie hatten dich, Thomas und all die anderen längst abgeschrieben. Parry rief sich zum neuen Kapitän aus."
Jetzt hatte er meine volle Aufmerksamkeit. Parry? Ich erinnerte mich noch gut an den
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