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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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ungestüm an sich und drückte wild seine Lippen auf die ihren. Ramis erstarrte, während er sie leidenschaftlich küsste. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment und da gab er sie brüsk frei. Sie war immer noch unfähig, sich zu rühren. Ihre Lippen bewegten sich ohne ein Wort hervorzubringen. Edward blieb noch kurz stehen, überwältigt von dem Unberechenbaren, das ihn gepackt hielt. Langsam drang das Verstehen zu seinem Hirn vor.
    "Mutter!" , schrie er auf. "Ich wollte das nicht!"
    Einen Augenblick wollte es Ramis so scheinen, als würde er sie wieder packen, aber stattdessen rannte er davon wie von den Furien gehetzt. Mechanisch tastete sie über ihre Lippe. Blut blieb an ihrem Finger zurück.
     
    Edward verkroch sich in einem dunklen Raum. Selbst wenn er die Augen schloss, sah er ihre Augen noch vor sich, voller Ungläubigkeit... ja und voller Angst. Der Nebel in seinem Kopf hatte sich verflüchtigt und stechenden Kopfschmerzen Platz gemacht. Er hätte sich gerne weiterhin der Illusion hingegeben, dass dieser abstoßende Ausbruch Produkt seiner Trunkenheit gewesen war, doch dem war nicht so. Zornig fluchte er der Welt und hielt seinen Kopf, der zu zerspringen drohte.
     
    Den nächsten Tag gingen sie extrem vorsichtig miteinander um und vermieden jeden Kontakt. Die anderen wunderten sich, waren die beiden doch sonst unzertrennbar. Besonders William zeigte sich beunruhigt, er verstand nicht, was los war. Gegen Abend saß Edward auf der Reling, als sich ihm eine Hand auf die Schulter legte. Irritiert drehte er den Kopf.
    "Ich glaub e, wir müssen miteinander reden", sagte Ramis.
    Ihre Augen flackerten unruhig, sonst schien sie vollkommen gelassen. Dem war allerdings nicht so, das spürte Edward.
    "Was war denn gestern mit dir los?"
    "Verzeih , Ramis, ich war völlig betrunken. Ich hatte keine Ahnung mehr, was ich tat." Das hast du schon gewusst , widersprach eine zynische Stimme in ihm.
    So leicht konnte er sich selbst nicht anlügen. Ramis jedenfalls glaubte ihm oder wollte es glauben.
    "Wenn das so ist ", meinte sie. "Dann sollten wir es einfach vergessen."
    "Ja, das wäre das Beste."
    Erleichtert schloss sie ihn in die Arme und schmiegte sich an ihn. Wie vertrauensvoll sie doch war, sie sah immer noch das Kind in ihm und würde es auch immer sehen. Er war ihr Sohn. Während er so auf ihren zerzausten Haarschopf hinabsah, fasste er einen Entschluss. Selbst diese unverfängliche Umarmung war schon die reinste Qual für ihn, so konnte es nicht weitergehen.
     
    Sie verbrachten noch einen weiteren Tag in Nassau und wollten am Nachmittag des darauffolgenden wieder in See stechen. Die Piraten verbrachten die Zeit in der Stadt, verprassten ihr Geld und suchten einfach Zerstreuung. Am Abend schrieb Ramis noch in ihr Tagebuch, in der Annahme, die Nacht könne nicht anders als all die anderen Nächte dieses Monats werden.

Logbuch
     
    Oktober 1713, Nassau
    Heute war einer der Abende, an dem ich einfach hinausgehen musste. Es war lau und sehr angenehm. Und es war einer der Abende, an dem mich der Duft der Natur so sehr erregte, dass ich ganz unruhig wurde. Ein nahendes Gewitter verstärkte die Gerüche um ein Vielfaches. Ich wollte mich auf die Erde werfen und Eins werden mit ihr, mich in dieses Ganze einfügen. Meine Sinne schärften sich wie selten und eine bebende Erwartung ergriff mich, ohne zu wissen, auf was. Nein, auf einen Mann gewiss nicht, ganz bestimmt nicht. Ich machte einen Spaziergang und genoss ihn, doch auch er musste zu Ende gehen. Nun bin ich wieder in meiner Kajüte und sehr müde. Ich denke, ich werde jetzt schlafen gehen, glücklich, dass ich mich wieder mit Edward ausgesöhnt habe. Mein Kleiner, immer noch.

Edward
     
    William fand einfach keinen Schlaf. Rastlos wälzte er sich hin und her, die Zudecke war zerwühlt und lag halb auf dem Boden. Es musste bestimmt schon nach Mitternacht sein. Er stand auf und öffnete das Fenster. Als er sich hinauslehnte und die kühle Luft einatmete, fiel ihm ein, dass Bill heute Wache hatte. Der war nicht mehr der Jüngste und gönnte sich gerne eine Mütze Schlaf während der Wache. William tappte barfuß die Treppe hinauf, um nachzusehen. Seine Mutter schlief weiter, völlig bewegungslos. An Deck war es ganz leer, außer dem alten Bill, der tatsächlich friedlich schlummerte. Wenn er Ramis davon erzählte, würde Bill eine Strafe aufgebrummt bekommen, der Kapitän legte Wert darauf, dass die Wache ordentlich abgehalten wurde. Er beschloss, den Alten

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