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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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brodelnden Schlund verschlingen. Ist es das, was euch so reizt? Oder lechzen Piraten nur nach dem Reichtum, den sie dort finden wollen?"
    "Als Pirat wird kaum einer reich und das wissen wir alle. Nein, es ist mehr. Wir können nur hier leben, das Meer ist unser Lebensunterhalt, wir ernähren uns von dem, was es bringt. Vielleicht ist es wie ein Mensch. Seine Wut kann viel zerstören, doch seine Gnade lässt auch viele leben."
    "Ja, du hast wohl recht. Diese Unberechenbarkeit macht es faszinierend. Unbeherrschbare Dinge faszinieren den Menschen."
    "Diese Faszination kann schnell zur Obsession werden."
    Talamara nickte wissend, dann schwiegen sie wieder eine Weile. Irgendwann ergriff Ramis das Wort.
    "Hast du schon einmal etwas getan, was eine große Schuld auf dich geladen hat?"
    Sie konnte die andere kaum noch erkennen, aber sie hörte deren leises Lachen.
    "Ja, oft sogar. Doch mein Gewissen ist wie ein Sieb. Ich habe viele Menschen getötet, die mir nichts getan haben und es hat mir nie etwas ausgemacht. Leute wie ich haben keinen Anstand im Leib." Eine Spur von Bitterkeit war deutlich hörbar. "Was ist mit dir, Anne?"
    Ramis fingerte einige Zeit in ihrer Tasche herum, schließlich förderte sie eine Münze zutage.
    "Siehst du das?" Sie hielt das Geldstück in die Höhe. "Dafür töte ich! Ich habe auch schon vorher getötet und ein Plätzchen in der Hölle ist mir sicher! Aber wieso ertrage ich das alles manchmal kaum? Ich habe die größte Schuld auf mich geladen und ich weiß, es wird niemals Vergebung dafür geben. Liegt es denn überhaupt im Möglichen des Menschen, zu verzeihen? Ach, was berührt mich das eigentlich noch, mein Schicksal ist bereits entschieden."
    "Es macht dir etwas aus..." , Talamara hörte sich erstaunt an.
    "Weshalb...?" , begann Ramis, als sie unterbrochen wurde.
    "Nein, sprich nicht weiter. Manche Dinge sollten nicht gesagt werden. Weißt du, ich glaube, so etwas Absolutes wie Gut und Böse gibt es nicht. Manchmal ist Gutes böse und Böses gut."
    "Nein, das glaube ich nicht! Es gibt das absolut Böse... Und wenn man nicht über solche Dinge reden darf, treiben sie einen dann nicht in den Wahnsinn? Zorn und böse Gefühle zerfressen die Seele!"
    Ramis wollte weggehen, aber Talamara hielt sie fest. Die beiden ungleichen Frauen starrten lange die Umrisse der anderen an. Keine konnte den Ausdruck auf dem Gesicht des Gegenübers lesen, doch eine spürbare Feindseligkeit lag zwischen ihnen. Talamara brach unvermutet das Schweigen.
    "Liebst du deinen Sohn?"
    "Natürlich. Ich würde mein Leben für ihn geben."
    Talamara ließ sie los.
    "Das ist leicht gesagt, meine Liebe", murmelte sie.
    Ramis entfernte sich rasch, ohne darauf einzugehen.
    "Dein Geist ist w ie Gift, das durchs Blut strömt", zischte Talamara ins Dunkel hinein.
     
    Innerlich aufgewühlt, wollte Ramis noch nicht schlafen gehen. Sie atmete tief die kühle Nachtluft ein und grübelte über das Gespräch mit Talamara nach. Sie kam zu keinem befriedigenden Ergebnis. Derweil flatterten ihre salzigen Haare im Wind, der sich gegen Abend verstärkt hatte. Ramis strich sie mechanisch hinter die Ohren. Sie spürte, wie die Verzweiflung aus der Tiefe des Meeres, wo sie wohnte, hervorgekrochen kam. Sie stammte von den Milliarden von Tränen, die die Menschen weinten, so viele, dass sie einen ganzen Ozean füllen konnten. Sie sammelten sich hier, alleine nutzlos, doch vereint eine unermessliche Gewalt, der kein Mensch trotzen konnte. Ja, vielleicht war das die Kraft des Meeres, auch wenn es natürlich vor den Tränen da gewesen war. Aber schmeckten beide etwa nicht gleich? Auf einmal wurde Ramis von dem wilden Wind eiskalt und sie zog sich in ihre Kajüte zurück. Talamara stand nicht mehr an ihrem Platz, sicher war auch sie hineingegangen. In dieser Nacht würde es wohl noch einen Sturm geben.
     
    Gleißende Sonne brannte auf den Hafen von Nassau herunter, falls man diesen als solchen bezeichnen konnte, denn es handelte sich um kaum mehr als eine natürliche Bucht, in der Brigantinen und Schnaus schaukelten. Für größere Schiffe war die Umgebung zu seicht, was den Piraten zusätzlichen Schutz bot. In den letzten Nächten hatte es öfters Unwetter gegeben, aber bald hatte der frische Wind die Wolken fortgeblasen und nun war er völlig abgeflaut, so dass die Sonne bald alles trocknete. Am Strand war einiges los. Die Leute blieben stehen, um die Neuankömmlinge zu begutachten. Die Stadt hatte sich irgendwie verändert, stellte Ramis fest.

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