Dunkle Häfen - Band 1
Edward wollte unbedingt hier bleiben. Ramis behagte das nicht, aber sie konnte ihm schlecht hier vor allen eine Szene machen und Edwards Dickkopf war nicht unterschätzen. Sorgenvoll angesichts der lästerlichen Verlockungen von Alkohol und unanständigen Frauen ließ sie ihn zurück. Auf den Straßen lungerte allerhand Gesindel herum, doch sie erreichten unbehelligt ihr Schiff. Inzwischen überlegten es sich potentielle Angreifer zweimal, bevor sie die wehrhaft aussehenden Piratinnen belästigten. William, der gezwungenermaßen aufgewacht war, protestierte heftigst, als er ins Bett geschickt wurde. Fanny eröffnete, das s sie heftige Kopfschmerzen habe und legte sich ebenfalls hin, während Talamara irgendwohin verschwand. Ramis versuchte, sich eine Beschäftigung zu suchen, doch sie wartete trotzdem nur auf Edward und konnte sich auf nichts konzentrieren. Als er nach ein paar Stunden immer noch nicht gekommen war, wollte Ramis ihn holen gehen. Allein war es zwar ein wenig gefährlich, durch die Straßen der Stadt zu gehen, es stellte sich jedoch heraus, dass der Pirat, der Wache hatte, eine Beinverletzung hatte und seine Kumpane waren offenbar sturzbetrunken. Ramis beschloss wütend, sie am nächsten Tag zur Verantwortung zu ziehen. Wer zur Wache eingeteilt war, durfte weder trinken noch schlafen. Aber nun hatte sie niemanden, der sie begleiten konnte und Edward würde nicht so bald kommen, wie sie ihn kannte. Talamara, die sie als einzige traf, hielt nichts von der Idee, ihr Leben für einen unvernünftigen Mann aufs Spiel zu setzen, der schließlich erwachsen war. Sollte er doch an Ort und Stelle in der Spelunke übernachten.
"Dann gehe ich eben alleine ", zischte Ramis zornig. "Obwohl du mir versprochen hast, mir zu helfen!"
Talamara zuckte nur die Schultern.
"Es ist nicht nötig, ihn zu holen. Warum auch?"
Ramis ließ sie stehen und machte sich auf den Weg. Alkoholverhangene Augen folgten ihr vom Straßenrand aus und sie beschleunigte ihre Schritte. Jeden Augenblick konnte eine Horde mordlustiger Gesellen über sie herfallen, wenn ihre Zahl nur groß genug war, würde auch ihr Säbel nichts mehr ausrichten. Aber keiner behelligte sie, man mochte sie im Dunkeln für einen hageren Mann halten, den es nicht lohnte, zu überfallen.
Die Kapitäne und Edward befanden sich noch immer am Tisch, inzwischen lagen ihre Köpfe darauf. Es waren einige Piraten dazugekommen, die eifrig mitgetrunken hatten. Ramis rüttelte Edward an der Schulter. Er blickte sich benebelt um, natürlich hatte er zu viel in sich hineingeschüttet. Sie musste ihn halb hochziehen, bis er endlich leicht schwankend stand. Energisch beförderte sie ihn hinaus. Edward war zu betrunken, um zu protestieren, seine Saufkumpane bemerkten seinen Abgang gar nicht erst. Die klare Luft brachte ihn allerdings wieder ein wenig zu sich, so dass Ramis ihn immerhin nicht tragen musste. Dennoch musste sie ihn stützen. Schweigend und mit zusammengebissenen Zähnen führte sie ihn durch die Stadt. Kurz bevor sie die Fate erreichten, hielt Edward unvermittelt an.
"Tante, was sollte das eigentlich?" , wollte er unwillig wissen.
"Was das soll ?" Jetzt explodierte Ramis aufgestaute Wut. "Das ist nicht dein Ernst! Wie kommst du dazu, mich das zu fragen? Du hast dich doch besoffen!"
"Reg dich doch nicht so auf. Das ist ganz normal... unter Piraten."
Das brachte Ramis schon wieder zur Weißglut, aber sie fand mühsam ihre Beherrschung.
"Du weißt genau, wie seh r ich es hasse, wenn du trinkst", presste sie hervor. "All die Jahre habe ich versucht, dich davor zu bewahren - und nun?"
Edward hatte ihr angestrengt zugehört - er mochte nicht allzu viel mitbekommen haben - dann meinte er mit vor Trunkenheit langsamer Stimme:
"Tut mir leid, dass ich dich so verärgert habe."
Ohne Vorwarnung verlor er plötzlich das Gleichgewicht und kippte nach vorne. Überrascht sprang Ramis nach vorne, um ihn mit ihren Körper abzufangen. Er klammerte sich instinktiv an ihr fest. Langsam richtete er sich, ließ sie aber nicht los. Ramis glaubte ihn seiner festen Umarmung keine Luft mehr zu bekommen.
"Lass mich los, Edward!" , ächzte sie schwach. "Du tust mir weh!"
Er starrte nur auf sie herunter.
"Mutter..." , murmelte er undeutlich.
Seine Augen waren verhangen, doch Ramis hätte schwören können, dahinter Qual zu erkennen. Trotzdem war sie nicht im Geringsten auf das Kommende gefasst. Irgendein wahnwitziges Gefühl schien ihn zu übermannen, denn auf einmal riss er sie
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