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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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packte das Mädchen am Arm mit seiner haarigen Hand. Aber er war nicht auf die Kraft gefasst, die Ramis entwickelte, als sie sich mit einem Ruck losriss. Sie rutschte fast in der Pfütze aus, doch sie konnte sich gerade noch fangen und rannte wie selten in ihrem Leben. Am Anfang hörte sie noch das Trappeln von Füßen und Rufe hinter sich. Auch als sie nichts mehr vernahm, wurde sie nicht langsamer. Dass die Straßen wieder belebter wurden, nahm sie kaum wahr. Erst als ihre Lungen brannten und sie vor Seitenstechen nicht mehr weiterkam, verlangsamte sie ihren Lauf. Vor ihren Augen tanzten Lichtflecke und sie schnappte nach Luft. Mühsam holte sie Atem und blickte um sich. Die Gegend kam ihr sehr bekannt vor. Irgendwie war sie zurückgekommen. Noch ein paar hundert Meter und sie erreichte das Portal von Maple House. Erst in diesem Augenblick fiel ihr auf, dass ihre Finger, die bisher fest die Botschaft umklammert hatten, geöffnet und leer waren. Sie hatte das Schreiben verloren...
     
    Es gelang ihr nicht, das laute Keuchen zu unterdrücken, während sie den Weg zu ihrem Zimmer zurücklegte. Draußen war es bereits tiefste Nacht. Und leider war ihr Fehlen nicht unbemerkt geblieben. Francis erwartete sie schon mit unheilvoller Miene. Das kalte Glitzern in seinen Augen machte ihr Angst.
    "Wo warst du?" , bellte er wütend. "Ich sagte, du sollst dich beeilen. Weißt du nicht, was wir hier mit den Ungehorsamen machen?"
    Ramis wusste es und das wusste er natürlich auch. Oft genug war sie seinen Schikanen ausgesetzt, weil er sie für etwas bestrafte, was sie nicht getan hatte. Sie konnte ihm gar nichts recht machen, immer war sie unverschämt oder überhörte seine Befehle. Dann musste sie zur Strafe zusätzliche, besonders scheußliche Arbeiten verrichten oder wurde in eine dunkle Kammer gesperrt. Davor hatte sie besonders Angst, denn sie fürchtete die Dunkelheit über alles. Und weil er auch das wusste, machte es Francis noch mehr Spaß.
    "Außerdem, wie siehst du überhaupt aus? In diesem Haus hast du ordentlich zu erscheinen!"
    Ramis musste gar nicht an sich heruntersehen, um zu wissen, dass sie über und über mit Schlamm bespritzt war. Ihre klebrige, starre Kleidung sagte ihr genug. Sie fragte sich, wie sie das mit der verschwundenen Nachricht erklären sollte. Er würde sie umbringen oder für immer in der dunklen Kammer einsperren. Aber irgendwann würde er es sowieso herausfinden.
    Deshalb sagte sie es ihm fast mit Trotz ins Gesicht. Jetzt konnte er sie endlich einmal gerechtfertigt bestrafen!
    "Du dummes Ding!" , brüllte er sie an.
    Bevor sie ausweichen konnte, traf sie seine Ohrfeige, die sie fast von den Beinen hob. Ihre Wange brannte und ihre Seele auch. Sicher hatte er ihr den Kiefer gebrochen. Tränen des Schmerzes und der Wut schossen ihr in die Augen. Eine Woge des Hasses erfasste sie. Sie hasste ihn, ja und die ganze Welt auch. Metallisch schmeckendes Blut erfüllte ihren Mund, sie hatte sich auf die Wange gebissen.
    "So, du kommst jetzt mit zu Mylord und erzählst ihm, dass du seine Botschaft verloren hast."
    Ramis sackte in sich zusammen, als wäre ihr Zorn nur Rauch gewesen, der sie aufrecht hielt. Jetzt war er entwichen. Francis wusste, womit er sie treffen konnte. Panik stieg in ihr auf und sie stemmte die Beine fest in den Boden. Doch das hinderte Francis nicht daran, sie einfach mit sich zu zerren. Er war ein großer, kräftiger Mann. Sie fing an, wild zu kreischen, unverständliche Worte.
    "Ungezogenes Gör!" , herrschte er sie an. "Du hättest eine Abreibung nötig."
    Sie wollte dort nicht hinein, auf keinen Fall. Den Anblick von Sir Edward würde sie nicht ertragen können. Ihre verheilten Wunden würden wieder aufspringen. Er war ein Teufel. Francis klopfte an die Tür und öffnete sie, als von drinnen ein Ruf erklang. Er schob sie hinein. Ramis kniff die Augen zusammen in Erwartung des unerträglichen Schmerzes. Als er nicht eintraf, hob sie vorsichtig die Lider. Aber da waren keine brennenden Abgründe, kein schwelendes Feuer. Nur das elegant möblierte Arbeitszimmer von Sir Edward. Das andere lag hinter den Grenzen des Sichtbaren, in der ewigen Finsternis.
    Sir Edward saß am Schreibtisch, auch er sah nicht aus wie das Ungeheuer, das er war. Dennoch, das Mädchen vor ihm hätte nicht mehr Angst haben können, wenn sie leibhaftig vor dem Teufel gestanden hätte. Ramis zitterte wie Espenlaub und ihr war übel. Gleich würde sie sich übergeben müssen. Es gab keinen Ausweg aus diesem

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