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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Ordnung zu halten. Du wirst den anderen Angestellten bei allen Arbeiten helfen, die so gerade anfallen. Ich hoffe, du kannst nähen?"
    Als Ramis un willig nickte, fuhr Madame fort:
    "Wir brauchen nämlich e ine Näherin. Dafür kannst du mit den Frauen an den Mahlzeiten teilnehmen."
    Ramis hatte gar keine Zeit, sich zu entscheiden, denn für Madame war die Sache bereits beendet.
    "Jedes Monatsende zahlst du das Zehnfache des Betrages, den du jetzt gezahlt hast." Damit knallte sie die Tür wieder zu.
    "Glückwunsch!" , grinste Lettice und schlug der verdatterten Ramis auf die Schulter. "Willkommen in deinem neuen Heim, auch wenn ich vorher dachte, du würdest es nicht erleben können. Du hast sie ziemlich wütend gemacht. Aber alle Achtung! Ich wusste gar nicht, dass du so knallhart sein kannst. Allerdings würde ich mich an deiner Stelle vor Madame in Acht nehmen. Geh ihr in Zukunft lieber aus dem Weg. Ist es nicht lustig, dass du nun wieder genau der gleichen Arbeit nachgehst wie in Maple House?"
    Ramis fand es gar nicht lustig. Ehrlich gesagt, sie fühlte sich überrumpelt. Sie hatte zwar ihr Zimmer; aber wieder all die harte Arbeit, wieder die Dumme sein, die jede Drecksarbeit machte? Gewiss unterschieden sich die Dienstboten in diesem Haus nicht allzu sehr von denen, die sie kannte. Sie würden sich freuen, dass sie ein Mädchen für alles bekamen, das noch weiter unter ihnen stand. Aber Ramis schwor sich, noch einmal würde sie das nicht über sich ergehen lassen. Man konnte sie als zahlenden Gast nicht herumkommandieren, diese Leute würden schon sehen. Wenigstens bekam sie zu essen, was von großem Vorteil war, denn ansonsten hätte sie dafür nicht mehr viel von ihrem Geld übrig gehabt, sobald die Miete gezahlt war. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie ja nur abends und morgens im Goldenen Drachen sein würde, um zu Arbeiten herangezogen zu werden.
    Mit halbem Ohr hörte sie Lettice Geschwätz zu, während sie zum Dachboden hinaufstiegen, den sie nun offiziell bewohnte.
    Gerade sagte Lettice: "Eigentlich ist Madame gar nicht so schlimm. Immerhin sorgt sie besser für uns als viele andere ihrer Position."
    Ramis wollte ihr widersprechen, ließ es jedoch bleiben. Sie fand diese Frau entsetzlich. Ihr war sofort klar geworden, dass sie in Madame eine Feindin hatte, die sie hier nur wegen des Geldes duldete. Was Madame wohl mit ihrem Geld machte? Sie sah nicht aus, als würde sie es ausgeben, um sich das Leben angenehmer zu machen oder sich gar zu vergnügen. Vermutlich hortete sie es einfach um der Gier willen, aus dem einzigen Zweck, damit es andere nicht bekamen. Ramis dachte darüber nach, was Menschen zu solch unbarmherzigen Kreaturen machte. Nun ja, es waren eben auch andere Menschen, die sie dazu formten und diese anderen waren wiederum von anderen... Es war ein ewiger, auswegloser Kreislauf, dessen Tragik beinahe alles Übel der Welt verursachte. Man mochte jede Bosheit den Vorgängern zuschieben, dennoch war Ramis nicht fähig, zum Beispiel Sir Edward als ein Opfer zu betrachten. Welche Qualen sollte er schon erlitten haben, um das zu rechtfertigen, was er seinen Mitmenschen angetan hatte? Außerdem hatte jeder auch selbst die Verantwortung für sein Tun, egal wie gut oder schlecht er es gehabt hatte. Und deshalb würde auch Ramis in die Hölle kommen, denn sie hatte ihr Leid als Rechtfertigung benutzt, zu töten und zu lügen. Das war nicht das, was in der Bibel stand. Martha hatte Ramis damals Bibelunterricht erteilt, denn sie war der Meinung, das Mädchen müsse seine Religion kennen.
    Jetzt war sie kein Kind mehr und sollte auf eigenen Beinen stehen und in vollem Bewusstsein ihrer inneren Werte handeln. Doch sie schien keine inneren Werte zu haben, jedenfalls hatten sie sich ihr nie gezeigt. Es war in erster Linie darum gegangen, zu überleben, da blieb keine Zeit für andere Gedanken. Ramis beobachtete Lettice und fragte sich, ob es ihr etwas ausmachen würde, wenn der anderen ein Unglück zustoßen würde. Aber sie kannte sich selbst nicht, wie sollte sie das auch wissen?

Im Goldenen Drachen
     
    Lettice führte Ramis in die Gemeinschaft der anderen Frauen ein. Sie wurde nur verhalten begrüßt und willkommen geheißen. Ramis sah das Misstrauen in ihren Augen: Sie war anders . Sie wollte nicht die gleiche Arbeit machen wie sie, sie aß und sprach nicht wie sie, sie konnte Lesen und Schreiben. Sie gehörte so wenig zu ihnen, wie sie zu den Reichen oder den Bettlern gehörte. Es gab keine

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