Dunkle Häfen - Band 2
Antwort erwart ete, denn es gab keine, die Ramis Verwirrung und das Unverständnis hätte beseitigen können.
"Was gibt es denn noch, was du mir sagen solltest?" , wollte sie entmutigt wissen.
"Nicht viel. Das Dokument ist tatsächlich in meinem Besitz. Dein Vater ließ es bei einem eurer Besuche hier, weil es da sicherer war. Ich hatte es ganz vergessen, bis ich dich in St. Germain traf und da beschloss ich, dir wenigstens den Rang zu beschaffen, der dir zugestanden hätte. Es war leicht, leicht in einer Zeit, als Intrigen überall schwelten. Der Regent hatte gewiss anderes zu tun, als noch groß auf jeden einzelnen zu achten. So war es leicht, ein Spitzel einzuschleusen, Mademoiselle de Mincourt. Sie sollte dich unterstützen und dir helfen, dich gegen den Regenten durchzusetzen, bis alles so weit war. Bis zur Heirat des Königs wären nicht mehr viele Jahre vergangen und bis dahin solltest du frei sein. Als du aber festgenommen wurdest, sollte sie dich befreien. Doch jemand - vermutlich der Regent - hat davon erfahren und ließ sie ermorden. Leider ist dann alles schief gelaufen."
"Bist du dir sicher, dass du sie nicht auch noch ermorden lassen hast, weil sie zu viel wusste? Vielleicht, als du erkanntest, dass ich bereits fort war?"
"Lianna..."
"Nein, schweig! Es ändert gar nichts mehr! Siehst du nicht, was du angerichtet hast?"
"Weißt du, einmal verhinderten die Leute, die dich auf mein Geheiß draußen und am Hof geleiteten, ein Attentat auf dich."
"Aber du hast dennoch einen Menschen getötet, der mir viel bedeutete! Und lädst einen Teil der Schuld dafür auf meine Schultern!"
"Ich wollte dir nie ein Leid zufügen. Wenn du es wünscht, kannst du mich nun mit deinem Wissen anklagen, dich an mir rächen."
"Nein, Colin, das werde ich nicht tun. Ich kann es nicht; wegen der Liebe, die uns einst verband. Aber gib mir bitte dieses verfluchte Dokument mit, damit es nie wieder einen von uns verleitet und in den Untergang führt."
Colin nickte und rief nach einem Diener. Er gab ihm einen Schlüssel und erklärte ihm, wo er das Schriftstück finden würde. Der Mann brauchte nicht lange und kehrte bald darauf zurück. Schweigend reichte ihr Cousin Ramis das Dokument. Sie rollte es auf, betrachtete einen Moment schweigend die klare Handschrift, in der alles geschrieben war und das Siegel des Königs. Dann blickte sie Colin an.
"Leb wohl, Cousin. Wir werden uns nie wieder sehen, aber was macht das? Die beiden Kinder, die zusammen spielten, sind beide tot, sie liegen begraben unter dem einen oder anderen Hügel."
Kummervoll wandte sie sich ab und ging zu ihrer Kutsche zurück, die William ihr gemietet hatte.
Draußen goss es in Strömen, am Fenster perlte der Regen in kleinen Bächen herunter. Das monotone Geräusch des Prasselns und Rauschens machte ihn müde. Wenn das Schauerwetter noch einen Tag anhielt, würde bald die Feuchtigkeit eindringen. So war das bei alten Burgen und wenn es seit Tagen regnete... Aber noch hing die Wärme in den Räumen. Resigniert schob Lord Fayford sein Tintenfass von sich. Für heute würde das mit der ewigen Korrespondenz nichts mehr werden. Es gab ohnehin nicht viel Wichtiges. Wie hielt es sein Bruder nur Tag für Tag in diesen Gemäuern aus? James lehnte sich einen Augenblick zurück und streckte die Beine aus. Nur ein bisschen dösen...
Die Nässe war hereingekommen. Dieser Gedanke weckte ihn wieder auf. Etwas im Zimmer hatte sich verändert. Es roch nach Regen. Und das Schaben von nasser Kleidung war deutlich zu hören, was seine Aufmerksamkeit auf die Person an der Tür lenkte.
"Du bist gekommen ", stellte er nach einiger Zeit fest.
Sie nickte, als bräuchte ihre Anwesenheit noch eine Bestätigung.
"Ich habe mich hinter einem Dienstmädchen ins Haus geschlichen, weil der Mann am Tor mich nicht hereinlassen wollte. Sie hat die Tür offengelassen."
Ein zögerndes Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. Sie tropfte, auf dem Boden bildete sich eine Pfütze. Von ihrem schönen, weißen Kleid, nagelneu, war nur ein grauer Lumpen geblieben, ihre Frisur aufgelöst, von einem unerwarteten Regenguss zerstört worden, der sie auf dem Weg hierher überrascht hatte. In seinen Augen hätte sie nicht schöner sein können. Das Schweigen zwischen ihnen war nicht unangenehm, es enthielt die Verheißung der Ewigkeit. Viele Worte hätten nur gestört, böse Geister geweckt. Unendlich langsam, jenseits der Zeit, streckte er ihr die Ha nd entgegen. Feierlich legte Ramis ihre in
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