Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
»Verflixt und zugenäht, Holzbein, auf was hast du dich da bloß eingelassen? Und überhaupt … Wann hast du dich das letzte Mal gewaschen? Oder im Regen gestanden – oder deine Hose gewechselt?« Er sah in zwei Augen voller Katarakte und seufzte. »Wann hast du zum letzten Mal was gegessen?«
Holzbein Higgins brummte etwas davon, kein Bettler sein zu wollen, und Dodger hätte es fast mit ihm aufgegeben. Doch vor dem inneren Auge sah er noch einmal den sterbenden Opa.
»Hier hast du einen Sixpence«, sagte er. »Damit solltest du was in den Magen kriegen und außerdem einen Platz in der Penne, wenn du’s nicht vertrinkst. Also gut, du armer Irrer, mach dich auf die Socken! Niemand ist hinter dir her. Bleib einfach in Bewegung und verlass dieses Viertel! Ich habe dich nie zuvor in meinem Leben gesehen, ich weiß nicht, wer du bist, und du scheinst es ebenfalls nicht zu wissen, so wie du aussiehst, du armer alter Teufel.« Dodger seufzte erneut. »Hör mal, wenn du was überfallen willst, solltest du nicht vor den Geschäftsstunden losschlagen, sondern danach, klar?«
Und das war’s. Dodger kehrte zum Chronicle zurück, und als er dort eintraf, war bereits ein Polizist da, und die Angestellten gaben ihm eine Beschreibung des Übeltäters, in der allerdings jeder Hinweis auf ein Holzbein fehlte. Ihre Version von Higgins schien gefährlicher zu sein als die, die Dodger kannte, und aus dem Brotmesser war doch tatsächlich ein Schwert geworden. Der Polizist bemühte sich, alle Einzelheiten zu notieren, was aber nicht leicht war, da die Angestellten durcheinanderredeten und er außerdem sehr langsam schrieb, wobei er Dodger im Auge behielt. Mit dem Schreiben haperte es bei ihm, aber er verstand sich sehr gut darauf, Leute wie Dodger zu erkennen.
Der wusste, was nun kam, und dann kam es tatsächlich, als der Polizist auf ihn deutete und fragte: »Dieser Herr war ein Komplize, ja?«
Die Angestellten sahen Dodger an, und etwas widerstrebend sagte ihr Chef: »Äh … nein, offen gestanden hat er den Übeltäter mit einem Büronagel bedroht und ihn verjagt.«
Der Polizist gefiel Dodger immer weniger, denn er sagte fröhlich: »Oh, dieser junge Mann war ebenfalls bewaffnet?«
»Äh … nein«, erwiderte der oberste Angestellte. »Ich meine einen Büronagel. Wir haben auf jedem Schreibtisch einen stehen.«
Die Treppe neben der Tür knarrte, und eine neue Stimme erklang. »Dieser junge Mann arbeitet für mich, Constable, und ich möchte hinzufügen, dass Mister Dodger mein volles Vertrauen genießt. Offenbar ist er ein Held von epischen Ausmaßen, der den Chronicle gerade davor bewahrt hat, von einem Schwerverbrecher ausgeplündert zu werden. Vermutlich sollte man ihn mit einer Medaille ehren – ich werde mit dem Herausgeber darüber sprechen. Derweil, meine Herren, hat Mister Dodger vertrauliche Informationen für mich, und ich würde gern mit ihm das Kaffeehaus aufsuchen und hören, was er zu berichten hat. Wenn Sie also so freundlich wären, uns beide zu entschuldigen …«
Charlie nickte dem Polizisten zu und ging los, gefolgt von dem verdutzten Dodger. Onan tappte hinter ihnen her, vielleicht in der Hoffnung, dass Dodger einen Weg durch den Nebel nahm, der früher oder später zu einem Knochen führte. Das Leben hielt für Onan selten die Belohnungen bereit, die er sich wünschte, und als Dodger ihn an einem Laternenpfahl festband, wurde klar, dass dies ein weiterer Beweis dafür war. Dodger beschloss, dem Hund bei nächster Gelegenheit einen anständigen Knochen zu besorgen.
Er hatte noch nie Kaffee getrunken, aber Solomon meinte, es sei nur schmutziges Wasser, und er konnte ihn sich ohnehin nicht leisten. Im Kaffeehaus gab es jede Menge davon, und der Raum war voller Leute und voller Stimmen – es ging ziemlich laut zu.
Charlie drückte Dodger auf einen Stuhl, setzte sich neben ihn und sagte: »Niemand hört, was du sagst, denn hier reden alle gleichzeitig, und diejenigen, die gerade nicht reden, schweigen nur, weil sie überlegen, was sie als Nächstes sagen sollen. Hat es einen Sinn, nach den Hintergründen der kleinen Episode zu fragen, die sich gerade beim Chronicle abgespielt hat, oder sollten wir es in den Schleier des Geheimnisvollen hüllen? Übrigens, hast du jemals von einem Mann namens Napoleon gehört? Nimm ruhig mehr Zucker, und wenn die Schale leer ist, bringt man uns eine neue. Diese neuen Zuckerwürfel sind wirklich toll, nicht wahr?«
Dodger hörte damit auf, sich die Taschen mit
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