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Dunkle Halunken: Roman (German Edition)

Dunkle Halunken: Roman (German Edition)

Titel: Dunkle Halunken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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lachte über Dodgers Gesichtsausdruck und fügte ernster hinzu: »Gut gemacht, Junge! Das Mädchen soll dich nach oben zur Familie bringen. Schau bei mir vorbei, bevor du gehst, vielleicht habe ich ein Päckchen mit Wegzehrung für dich.«
    Dodger folgte der Bediensteten die steinerne Treppe hinauf zu der magischen Tür zwischen den Menschen, die den Boden wischen, und den anderen, die über den Boden schreiten, zu der Tür zwischen dem Unten und dem Oben der Welt. Was er im Oben fand, war ein Chaos, mit Ehemann und Ehefrau als unfreiwilligen Schiedsrichtern bei einem Streit zwischen zwei Jungen. Offenbar ging es darum, wer wessen Zinnsoldaten zerbrochen hatte.
    Mister Mayhew nahm Dodger am Arm und nickte seiner Frau zu, die ihm von dem kleinen Kriegsschauplatz herüber ein verzweifeltes Lächeln zuwarf, während er ins Arbeitszimmer ihres Mannes gezogen wurde. Dort drückte ihn Henry Mayhew auf einen unbequemen Stuhl, nahm ihm gegenüber Platz und sagte sofort: »Es ist mir eine Freude, dich wiederzusehen, junger Mann, insbesondere in Anbetracht deines Eingreifens gestern Abend. Charlie hat mir davon erzählt.« Er zögerte. »Du bist ein höchst bemerkenswerter junger Mann. Darf ich … dir einige persönliche Fragen stellen?« Bei diesen Worten griff er nach Notizbuch und Bleistift.
    An eine solche Behandlung war Dodger nicht gewöhnt. Leute, die ihm persönliche Fragen stellen wollten, etwa Wo warst du in der Nacht zum Sechzehnten? , stellten sie in der Regel, ohne ihn vorher um Erlaubnis zu fragen, und sie erwarteten, dass er sogleich Auskunft erteilte. »Ich habe nichts dagegen, Sir«, erwiderte er vorsichtig. »Vorausgesetzt, die Fragen sind nicht allzu persönlich.« Er sah sich im Zimmer um, während der Mann lachte, und dabei dachte er: Wie kann ein Mann so viel Papier besitzen? Überall lagen Bücher und Zeitungen, auch auf dem Boden, aber sie bildeten ordentliche Stapel.
    Mister Mayhew begann mit seiner Befragung. »Ich nehme an, du bist nicht richtig getauft, oder? Ich finde das kaum vorstellbar. Hast du dir den Namen Dodger selbst zugelegt?«
    Dodger entschied sich für eine Variante von Ehrlichkeit. Immerhin hatte er dies alles schon mit Charlie hinter sich gebracht, und deshalb präsentierte er eine leicht gekürzte Version der Dodger-Geschichte, denn man verriet nie jemandem alles. »Nein, Sir, ich bin ein Findelkind, Sir, und im Waisenhaus nannte man mich Dodger, weil ich so schnell bin.«
    Mister Mayhew öffnete das Notizbuch, und Dodger äugte argwöhnisch darauf. Der Bleistift wartete über dem Papier, bereit, Worte festzuhalten, und deshalb sagte er: »Nichts für ungut, aber ich werde ganz hibbelig, wenn Worte aufgeschrieben werden, und dann kann ich nicht mehr reden.« Sein Blick huschte bereits durchs Zimmer, auf der Suche nach einem anderen Ausgang.
    Doch Mister Mayhew erstaunte ihn, indem er erwiderte: »Junger Mann, ich entschuldige mich dafür, dich nicht vorher um Erlaubnis gefragt zu haben. Weißt du, ich notiere mir von Berufs wegen das eine oder andere. Vielleicht sollte ich besser von einer Berufung sprechen. Es handelt sich um Recherchen in Hinsicht auf ein Projekt, mit dem ich mich schon seit einer ganzen Weile befasse. Meine Kollegen und ich hoffen, der Regierung die schrecklichen Zustände in London zu verdeutlichen. Es ist die reichste und mächtigste Stadt auf der Welt, doch für viele ihrer Bewohner herrschen Lebensbedingungen, die sich kaum von denen in Kalkutta unterscheiden.« Er bemerkte, dass Dodgers Gesichtsausdruck unverändert blieb, und fügte hinzu: »Ist es möglich, junger Mann, dass du nicht weißt, was es mit Kalkutta auf sich hat?«
    Dodger starrte für einen Moment auf den Stift. Nun ja, es ließ sich nicht ändern. »Das stimmt, Sir«, antwortete er. »Ich habe keine Ahnung. Tut mir leid, Sir.«
    »Mein lieber Dodger, es ist ganz und gar nicht deine Schuld.« Wie im Selbstgespräch fuhr Mister Mayhew fort: »Unkenntnis, schlechte Gesundheit, unzureichende Ernährung und Mangel an sauberem Trinkwasser sorgen dafür, dass die Situation immer schlimmer wird. Deshalb frage ich einfach nur einige Leute nach Einzelheiten aus ihrem Leben, auch nach ihrem Einkommen, denn die Regierung muss auf eine derartige Anhäufung von Beweisen reagieren. Seltsamerweise sind die Oberschichten im Allgemeinen sehr großzügig, sofern es Geldspenden für Kirchen, Stiftungen und andere gemeinnützige Einrichtungen betrifft, aber abgesehen davon richten sie allzu strenge Blicke nach

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