Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
am Fenster zu zeigen. Auch ich mag keine Eindringlinge, und ich frage mich gerade, ob ich nicht Sie oder einen Ihrer Kollegen damit beauftragen sollte, nach einem bisher unentdeckt gebliebenen Weg ins Haus zu suchen. Vielleicht können wir diese Frage morgen erörtern. Jetzt muss ich mit Charlie sprechen.«
10
Dodger benutzt seinen Kopf
Dodger eilte nach Hause, in gewisser Weise getragen von der Erinnerung an das Treffen und auch von den Worten, die Charlie ihm beim Verlassen des Hauses zugeflüstert hatte – wonach Angela mehr Geld besaß als jeder, der nicht König oder Königin war. Allerdings, eine piekfeine Party klang nach einer harten Nuss. Er ging ziemlich schnell, bis er den ersten Gullydeckel erreichte: einen Eingang zu seiner Welt. Einen Moment später war trotz der guten Klamotten eine deutliche Abwesenheit von Dodger zu beobachten, untermalt vom Geräusch des wieder an seinen Platz gerückten Gullydeckels.
Er orientierte sich nach Gefühl, mithilfe von Echos und natürlich anhand des Geruchs. Jede Kanalisationsröhre in der Stadt hatte ihren eigenen Geruch, und er konnte sie so gut unterscheiden wie ein Weinkenner verschiedene Jahrgänge. Unter Londons Straßen machte er sich auf den Weg nach Hause und änderte nur einmal die Richtung, als sein aus zwei Tönen bestehender Pfiff Antwort erhielt von einem Kollegen, der bereits in diesem Tunnel arbeitete. Draußen war es noch hell, was die Sicht in der Nähe eines gelegentlichen Gitterrosts verbesserte, und er kam mühelos voran – diesmal war nicht das kleinste Rinnsal zu entdecken. Fast geistesabwesend erforschten seine Finger im Vorbeigehen eine geheime Nische und fanden einen Sixpence, ein Zeichen dafür, dass jemand oder etwas über ihn wachte.
Oben in der komplizierten Welt erklangen die Geräusche von Hufen, Schritten und Kutschen, und dann, ganz plötzlich, hörte Dodger einen Laut, und er erstarrte: ein gespenstisches Quietschen wie von leidendem Metall, vielleicht hervorgerufen von einem Gegenstand, der an einem Rad feststeckte. Es war ein Quietschen, das über die Seele kratzte und das man nie wieder vergaß, hatte man es einmal vernommen.
Die Kutsche! Wenn er sehen konnte, wohin sie fuhr, fand er vielleicht die Männer, die Simplicity verprügelt hatten. Er freute sich bereits darauf, es den Mistkerlen heimzuzahlen.
Die Kutsche rollte oben über die Straße, und Dodger verfluchte den Umstand, dass der nächste Gullydeckel ein ganzes Stück entfernt war. Zum Glück befand er sich in einem einigermaßen sauberen Tunnel, was ihm dabei half, den gebrauchten Anzug zu schonen. Er lief durch die Kanalisationsröhre und wäre diesmal nicht einmal für einen Shilling stehen geblieben. Schließlich erreichte er den Kanaldeckel und holte die Brechstange hervor, doch gerade, als er den Deckel anheben wollte, hörte er das Klappern von Hufen und das Rasseln von Gurtzeug. Etwas Dunkles erschien über dem Gullydeckel, und das Licht des Tages verschwand hinter dem Geruch von Dung. Der Wagen eines Brauers blieb stehen und schien sich auf dem Deckel niederzulassen wie ein alter Mann, der nach langer Suche endlich einen Abort gefunden hat. Der Vergleich war so abwegig nicht, denn die Pferde vor dem Wagen hielten Ort und Zeitpunkt für geeignet, ihre Blasen zu entleeren. Es waren große Tiere, ein langer Nachmittag lag hinter ihnen, und deshalb war der Schauer nicht schon nach wenigen Augenblicken zu Ende, sondern lief auf ein längeres Duett für die Göttin der Erleichterung hinaus. Da der einzige Weg nach unten führte, gab es für Dodger bedauerlicherweise keine Möglichkeit, diesem ganz besonderen Regen auszuweichen.
In der Ferne wurde das Quietschen leiser und verschmolz immer mehr mit den anderen Geräuschen der Straßen. Hinzu kam das Rumpeln der Bierfässer, die nun von kräftigen Männern über eine Rampe gerollt wurden. Schon nach kurzer Zeit war vom quietschenden Rad der Kutsche nichts mehr zu hören.
Dodger kannte die Routine der Männer, die über ihm arbeiteten. Wenn sie alle leeren Fässer aus dem Pub geholt und durch volle ersetzt hatten, genehmigten sie sich hundertpro ein Pint Bier. Bei diesem fröhlichen Unterfangen würde ihnen der Wirt Gesellschaft leisten, angeblich um die Qualität des gelieferten Biers zu überprüfen, obwohl der wahre Grund lautete: Wenn Männer die ganze Zeit über schwere Fässer schleppen mussten, so hatten sie sich doch ein Bier verdient, oder etwa nicht? Dieses Ritual war vermutlich so alt wie das Bier
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