Dunkle Herzen
schmetterte daher, wild mit Armen und Beinen rudernd, die Taschenlampe gegen den Kopf der Gestalt. Diese gab ein Grunzen, gefolgt von einem bösen Fluch, von sich und lockerte ihren Griff. Lisa setzte sich mit aller Kraft zur Wehr, um sich zu befreien. Wie aus der Ferne hörte sie, wie ihr T-Shirt zerriß.
Irgend etwas traf sie hart ins Gesicht. Ihr wurde schwindelig, alles verschwamm vor ihren Augen. Blindlings rannte sie los, hörte dabei ihr eigenes Schluchzen, spürte, wie jeder Atemzug ihr in der Kehle brannte. Sie wollte sich dazu zwingen, stehenzubleiben, da ihr panikerfüllter Verstand sich auf die Möglichkeit konzentrierte, sie könnten sie hören und ihr folgen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht.
Ihr wurde plötzlich klar, daß sie in den Wald hineingelaufen war und jegliche Orientierung verloren hatte. Umherliegende Holzstücke wurden auf einmal zu tödlichen Fallen, dicht belaubte Bäume zu unüberwindlichen Hindernissen. Sie war der Hase, der voller Angst seine Haken schlug, während er von der Meute erbarmungslos gehetzt wurde. Ihr Herz schlug so laut, daß sie die sich rasch nähernden Schritte nicht wahrnahm.
Er riß sie so brutal zu Boden, daß ihr Knie hart gegen einen Stein schlug. Trotz ihrer rasenden Furcht hörte Lisa noch, wie der Knochen brach, und als sie zu Boden prallte, verdrehte sich ihr Bein in einem unnatürlichen Winkel. Der Schmerz ließ jeden Nerv in ihrem Körper vibrieren. Sie schmeckte ihr eigenes Blut, als ihre Zähne sich tief in ihre Unterlippe gruben.
Er sang. Lieber Gott, dachte sie benommen. Tatsächlich, er sang monoton vor sich hin. Und sie roch Blut.
Inzwischen konnte sie hören, daß sich noch mehr von ihnen näherten. Ihr Angreifer schleifte sie mit sich, auf die
anderen zu, die durch das Gebüsch brachen, seltsame, gierige Schreie ausstießen, näher und näher kamen. Trotzdem rief ihr Häscher ihnen nichts zu. Lisa konnte seine Augen erkennen, nur seine Augen, und da wußte sie, daß sie um ihr Leben kämpfen mußte.
Er glaubte, sie endgültig überwältigt zu haben, das sah sie ihm an. Tatsächlich vermeinte sie sogar, ihre eigene Angst zu riechen. Als ihr Gegner begann, heftig an ihrer Kleidung zu zerren, schlug sie ihre Fingernägel mit aller Gewalt in seine Hand und riß ihm die Haut auf, kämpfte mit den Zähnen und jedem Funken der ihr noch verbliebenen Kraft gegen ihn an.
Trotzdem gelang es ihm, die Hände um ihren Hals zu schließen. Er stieß keuchende Knurrlaute aus, wie ein Tier, dachte Lisa benommen. Würgend hustete sie mehrmals, rang verzweifelt nach Luft, doch ihre Gegenwehr erlahmte allmählich. Mit den Fersen ihrer Turnschuhe trommelte sie wie wild auf dem Boden herum.
Sie konnte nicht mehr atmen, ihre Lungen schienen sich langsam mit flüssigem Feuer zu füllen. Ihre Augen quollen hervor und drohten ihr aus dem Kopf zu treten. Böse lächelte er auf sie hinab. Dann glitten ihre Hände schwach und kraftlos an dem rauhen Stoff seiner Kutte hinunter und fielen wie knochenlos auf den dicken Laubteppich.
Sie war sicher, daß ihr letztes Stündlein geschlagen hatte. Verzweifelt krallte sie die Hände in die knisternden Blätter.
Ihre Finger trafen auf etwas Hartes und schlossen sich um einen großen Stein. Mit vor Anstrengung fast berstenden Lungen packte sie zu und schmetterte den Stein so fest sie konnte gegen den Hinterkopf ihres Gegners. Dieser röchelte und lockerte seinen eisernen Griff. Lisa holte einmal keuchend Atem und schlug erneut zu.
Würgend nach Luft ringend, kroch sie von ihm fort. Noch nie zuvor hatte sie so furchtbare Schmerzen verspürt. Am liebsten wäre sie einfach regungslos liegengeblieben, bis es ihr besser ging, aber von weitem hörte sie schon die Stimmen, die sich ihr näherten. Die Angst kehrte mit Macht zurück und verlieh ihr beinahe übermenschliche Kräfte. Sie
biß sich auf die Lippen, als das verletzte Bein unter ihr wegknickte, rappelte sich dann hoch und rannte humpelnd durch den Wald, so schnell es ihr eben möglich war. Sie wußte, daß ihre Verfolger sich dicht hinter ihr befanden.
Clare fühlte sich viel besser. Genaugenommen ging es ihr großartig. Auf der Fahrt nach Hause summte sie fröhlich vor sich hin. Bislang hatte sie gar nicht gewußt, wie beruhigend es auf überreizte Nerven wirkte, abends draußen zu sitzen, die Sterne zu betrachten und über Belanglosigkeiten zu reden. Sie bedauerte nur, daß sie nicht hatte bleiben und zu Cam ins Bett krabbeln können. Zu gerne hätte sie mit ihm
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