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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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plaudern.
    An seine Verletzungen und Schrammen dachte er gar nicht mehr. Es war so leicht, vielleicht sogar zu leicht, sich ablenken zu lassen. Plötzlich wurde ihm bewußt, wie sehr er es genoß, sie anzusehen, zu beobachten, wie sich das Sonnenlicht in ihrem rotgoldenen wuscheligen Haarschopf fing. Warum hatte er eigentlich nicht schon vor zehn Jahren bemerkt, wie makellos samtig, ja, geradezu durchscheinend ihre Haut war? Doch an ihre Augen erinnerte er sich noch gut, und an die goldenen, koboldhaften Irrlichter, die darin tanzten.
    Den ganzen Nachmittag lang redeten sie über Gott und die Welt, vertraten hitzig ihren jeweiligen Standpunkt und
ließen die alten Zeiten wieder aufleben. So wurde eine Freundschaft wieder aufgefrischt und vertieft, die während ihrer Kindheit bestenfalls als zaghaft beschrieben werden konnte.
    Im Hintergrund sang der Fluß leise sein Lied, die Baumkronen raschelten sachte im Wind, doch trotz dieser romantischen Szenerie spürte Cam, daß der Zeitpunkt für eine Beziehung, die über bloße Freundschaft hinausging, noch nicht gekommen war. Aber als sie sich wieder auf das Motorrad schwangen, gingen sie ungezwungener miteinander um als je zuvor.
    Dann beging Cam den einzigen Fehler des Tages: Er kürzte den Rückweg ab, indem er durch die Stadt fuhr, und gab so Bud Hewitt Gelegenheit, ihn anzuhalten, als er das Büro des Sheriffs passierte.
    »Hey, Sheriff.« Obwohl er Zivilkleidung trug, setzte Bud sein dienstliches Gesicht auf, als er Clare zunickte. »Schön, daß du wieder da bist.«
    »Bud?« Lachend sprang Clare vom Motorrad, um ihm einen schallenden Kuß zu geben. »Alice und ich haben den gestrigen Abend damit verbracht, Pizza zu futtern und uns einen anzuzwitschern. Sie hat mir erzählt, daß du der städtische Deputy bist.«
    »Einer davon.« Vor Freude darüber, daß sein Name gefallen war, lief Bud hochrot an. »Du siehst wirklich gut aus, Clare.« Tatsächlich hüpfte sein Adamsapfel ein wenig, als er sie ansah. Der Wind hatte ihre Wangen rosig überhaucht, und ihre Augen schimmerten tiefgolden. »Habt ihr zwei eine Spazierfahrt gemacht?«
    »Ganz recht.« Zu seiner eigenen Verwunderung ärgerte sich Cam über die kindliche Bewunderung, die in Buds Augen leuchtete. »Liegt irgend etwas an?«
    »Nun ja, ich dachte, das würde dich interessieren – und da du nicht zu Hause warst, als ich anrief, und ich dich dann zufällig hab’ vorbeifahren sehen, da dachte ich mir, ich halte dich mal kurz an.«
    Ungeduldig ließ Cam den Motor aufheulen. »Soviel habe ich auch schon mitbekommen, Bud.«
    »Es geht um diese Ausreißerin. Das Mädchen aus Harrisburg.«
    »Ist sie wieder aufgetaucht?“
    »Nein, aber heute morgen ist bei der Staatspolizei ein Anruf eingegangen. Jemand will ein Mädchen, auf das die Beschreibung paßt, an der Route 15 gesehen haben, nur ein paar Meilen von der Stadt entfernt, und zwar am selben Tag, an dem sie abgehauen ist. Offenbar war sie Richtung Emmitsboro unterwegs. Ich dachte, das würde dich interessieren«, schloß er lahm.
    »Hast du den Namen?«
    »Den Namen und die Telefonnummer. Der Zettel liegt drinnen.«
    »Ich bring’ Clare nur schnell nach Hause.«
    »Kann ich nicht warten?« Clare befestigte bereits ihren Helm auf dem Rücksitz. »Als ich dieses Büro das letzte Mal betreten habe, saß der alte Parker noch hinter seinem Schreibtisch und rülpste.«
    »Diese farbige Note fehlt uns heute leider.« Cam schob sie durch die Tür.
    In dem Mann hinter dem Schreibtisch erkannte sie Mick Morgan wieder. Zu Parkers Zeiten war er ein junger Deputy mit frischen Gesichtszügen gewesen, aber inzwischen hatte der Zahn der Zeit kräftig an ihm genagt. Er war fett und schwammig geworden, und sein strähniges braunes Haar lichtete sich bereits bedenklich. Als er sie eintreten sah, stand er auf und schob einen Priem Kautabak in die Backentasche.
    »Hallo, Cam. Hab’ nicht mehr mit dir gerechnet.« Sein Blick heftete sich auf Clare, und er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die gerade noch als Lächeln durchgehen konnte. An seinen Zähnen klebte Tabaksaft. »Hab’ schon gehört, daß du wieder da bist.«
    »Hi, Mr. Morgan.« Clare gab sich redlich Mühe, weder daran zu denken, daß er nach dem Tod ihres Vaters als erster zur Stelle gewesen war, noch ihn dafür zu verurteilen, daß er sie von dem Leichnam weggezerrt hatte.
    »Bist ja inzwischen reich und berühmt geworden«, fing
Morgan an, wurde jedoch von einem Krachen und einem derben Fluch aus dem

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