Dunkle Herzen
vorgefunden. Heute abend verhielten sich seine Kameraden merkwürdig distanziert. Schweigend standen sie im Nieselregen, als würden sie auf etwas warten.
»Was zur Hölle soll das bedeuten?« fragte Biff ins Leere. »Es ist doch gar nicht unsere übliche Nacht.«
»Es gibt da eine Angelegenheit zu bereinigen.« Der Anführer löste sich aus der Gruppe, trat in den Kreis und drehte sich zu den anderen um. Die Augenschlitze seiner Maske gähnten so dunkel und leer wie zwei Höllenschlunde. Er hob die Arme, die langen Finger weit gespreizt. »Wir sind die Auserwählten. Wir sind die Ersten und die Einzigen. In unseren Händen liegt die Macht. Unser Gebieter hat uns die Gabe verliehen, auch andere in seinen Bann zu ziehen, um Seinen Ruhm zu verbreiten.«
Er beugte sich vor, warf den Kopf zurück und breitete die Arme aus. Unbeweglich wie eine Statue verharrte er in dieser Stellung, ein unheimliches lebendes Abbild von Clares alptraumhafter Skulptur. Seine Augen hinter der Maske leuchteten triumphierend. Wilde Vorfreude erfüllte ihn,
das Wissen um die Macht, die er besaß und die die anderen nie verstehen würden.
Wie guterzogene Hunde waren sie seinem Ruf gefolgt, und wie hirnlose Schafe würden sie seine Befehle befolgen. Und falls einer oder zwei noch über einen Rest dessen verfügte, was man gemeinhin als Gewissen bezeichnete – nun, der Machthunger würde sich als stärker erweisen.
»Unser Gebieter ist erzürnt. Er lechzt nach Vergeltung. Er spricht durch mich: Eines meiner Kinder, einer der Auserkorenen hat mich verleugnet. Vernichtet den, der meinen Namen besudelt hat. Die heutige Nacht soll im Zeichen des Todes stehen.«
Als er die Hände sinken ließ, zog eine der schwarzgewandeten Gestalten einen Baseballschläger unter ihrer Kutte hervor. Biff öffnete verwundert den Mund, und im selben Augenblick bekam er einen Schlag über den Kopf.
Als er das Bewußtsein wiedererlangte, bemerkte er entsetzt, daß man ihn nackt auf den Altar gebunden hatte. Der unaufhörlich fallende Regen weichte seine Haut auf und ließ ihn frösteln, aber das war unwichtig, verglichen mit der eiskalten Furcht, die ihn erfüllte.
Sie standen um ihn herum, einer am Kopf –, einer am Fußende und einer an jeder Seite der Hüften. Vier Männer, die er fast sein ganzes Leben lang kannte. Unbeteiligt wie Fremde blickten sie auf ihn herab. Und er wußte, für sie war er bereits tot.
Inzwischen war das Feuer entzündet worden, und der Regen, der auf die brennenden Scheite fiel, verursachte ein Geräusch, das an brutzelndes Fleisch erinnerte.
»Nein!« Biff begann zu kreischen und sich wild in seinen Fesseln zu winden. »Lieber Gott, nein!« In seiner Panik rief er denjenigen an, den er seit zwanzig Jahren schmähte. Der bittere, kupferartige Geschmack von Blut füllte seinen Mund. Er hatte sich selbst in die Zunge gebissen. »Das könnt ihr doch nicht tun! Ich habe den Eid geleistet!«
Der Anführer blickte auf die Narbe an Biffs linkem Hoden nieder. Das Zeichen würde man … auslöschen müssen. »Du gehörst nicht länger zu den Auserwählten. Du
hast deinen Schwur gebrochen. Du hast das Gebot übertreten.«
»Niemals. Ich habe niemals das Gebot übertreten.« Das Seil schnitt schmerzhaft in seine Handgelenke, als er sich verzweifelt aufbäumte. Die ersten Blutstropfen befleckten das Holz.
»Wir lassen uns nicht vom Zorn überwältigen. So lautet das Gebot.«
»So lautet das Gebot«, sangen die anderen.
»Ich war betrunken.« Biffs Brust hob und senkte sich rasch, als er zu schluchzen begann. Heiße Tränen der Angst quollen aus seinen Augen. Unter den Masken und Hauben verbargen sich Gesichter, die er kannte. Sein angsterfüllter Blick wanderte flehend von einem zum andern. »Verflucht, ich war betrunken.«
»Du hast das Gebot übertreten«, wiederholte der Anführer. Seine Stimme klang kalt und mitleidlos, obwohl tief in seinem Inneren eine schwarze, abgründige Leidenschaft brodelte. »Du hast bewiesen, daß du unfähig bist, dein Wort zu halten. Du bist schwach, und die Schwachen werden von den Starken beherrscht.« Die Glocke wurde geläutet, und der Anführer hob die Stimme, um Biffs Schluchzer und Verwünschungen zu übertönen.
»Herr des dunklen Feuers, gib uns Macht.«
»Deinen Ruhm werden wir preisen.«
»Hüter der Ewigkeit, gib uns Kraft.«
»Deine Gebote wollen wir befolgen.«
»In nomine Dei nostri Satanas Luciferi excelsi!«
»Ave , Satan.«
Der Priester hob einen silbernen Kelch. »Bitter ist der
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