Dunkle Obsession
einem Meister gemalt. Auf den ersten Blick hatte sie nicht wahrgenommen, dass einige der Damen barbusig zu Pferde saßen, und alle Herren waren außergewöhnlich gut bestückt. Sie schaute genauer hin und erkannte dann, dass einige Paare im hohen Farnkraut kopulierten.
»Sehr bizarr«, murmelte Annabel und fragte sich, wer dafür verantwortlich war, die Einrichtung des Zimmers so geschmacklos verdorben zu haben.
Eine enge Tür am hinteren Ende des Zimmers führte zwei Stufen hinunter und ins Badezimmer, das ihr den Atem raubte. Es war klein, aber die kostbaren Holzpaneele glänzten im Licht der Kerzen, die das tiefe altmodische Becken und das Regal unter dem Spiegel säumten.
Eine Dreiecksbadewanne aus Kupfer war in die hintere Ecke eingelassen, und ein scharlachroter persischer Teppich lag auf dem Bodenstreifen zwischen Wanne und Becken. Rubinrote Badetücher hingen über geheizten Stangen unter dem kleinen rechteckigen Fenster.
Annabel hoffte, dass Lady Corbett-Wynne dieses Zimmer nicht renovieren lassen wollte, denn in ihren Augen sah es vollkommen aus.
Sie kehrte in ihr Zimmer zurück, nahm ihr Notebook aus der Aktentasche und hielt die wichtigsten Punkte ihrer Besprechung fest. Sie hatte gerade erst damit begonnen, als es an die Tür klopfte.
»Ja?«, rief Annabel.
»Ich bin’s, Tania«, kam die Antwort. »Darf ich hereinkommen?«
Annabel öffnete die Tür. »Ja, natürlich. Ich habe gerade das Bad bewundert.«
Tania lächelte. »Ja, es ist wunderbar, nicht wahr? Crispian und ich haben da drin schon manchen Spaß mit unseren Besuchern erlebt, kann ich dir sagen.«
Annabel wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. »Kann ich irgendwas für dich tun?«
»Crispian fragt, ob du Lust hast, uns beim Nachmittagstee Gesellschaft zu leisten. Das Essen findet erst um neun Uhr statt, deshalb stellt sich sonst irgendwann der Hunger ein.«
»Hört sich wunderbar an«, sagte Annabel.
»Sehr schön. Wir werden im Musikzimmer sein, der liegt im Erdgeschoss; wenn du am Ende der Treppe stehst, die zweite Tür rechts. Du brauchst dich nicht umzuziehen; Crispian liebt Geschäftsfrauen in Kostümen.«
Annabel wäre nicht eingefallen, die lange karamellfarbene Jacke über dem kurzen Hemd und der beigefarbenen Bluse als Kostüm zu bezeichnen, und fühlte sich ein wenig zu steif angezogen, vor allem im Vergleich zu Tania, die sich ein kurzes, blassblaues Kleidchen angezogen hatte. Sie trug keine Strümpfe, dafür aber schmuddelige Treter an den Füßen.
»Und heute Abend? Förmliche Kleidung?«
»Schrecklich förmlich, fürchte ich. Wir haben einen neuen Nachbarn, Sir Matthew Stevens, der gerade Witwer geworden ist, zum Essen eingeladen, und Stiefpapa will ihn bestimmt beeindrucken. Ich weiß zwar nicht, warum, denn er hat auch nur neues Geld.«
»Neues Geld?«
Tania lächelte. »Ja, so ist es. Er hat ein Vermögen gemacht, indem er die armen Menschen ausgebeutet hat und ist dafür und wegen seiner Verdienste für die Wirtschaft geadelt worden. Nicht viel anders als Crispians Großvater, der Leyton Hall bekommen hat, weil er einen dicken Batzen seines unrechtmäßig erworbenen Reichtums für wohltätige Zwecke gespendet hat. Du hast doch nicht geglaubt, dass wir schon seit Jahrhunderten hier leben? Wenn du das glaubst, hat man dich unter falschen Vorkehrungen hierhin geholt. Meine Mutter ist die Einzige mit einem richtigen Stammbaum, deshalb ist sie wahrscheinlich auch so neurotisch. Generationen von Inzucht. Aber Stiefpapa, nun, das ist eine völlig andere Geschichte.«
»Oh«, sagte Annabel leise. Sie war fasziniert, aber sie dachte, Tania sollte ihr diese Sachen nicht erzählen, erst recht, da sie als Gast gerade erst eingetroffen war. »Deine Mutter hat einen ausgezeichneten Geschmack«, sagte sie schnell, um auf ein anderes Thema zu kommen. »Ihre Ideen für Leyton Hall sind großartig und sehr originell.«
»Ja, sicher, aber ihr Geschmack hat sie im Stich gelassen, als sie sich ihren zweiten Mann ausgesucht hat, findest du nicht auch? Nein, darauf kannst du dir eine Antwort sparen. Schließlich kann er dich nach Hause schicken, wenn ihm nicht gefällt, wie du die Dinge anpackst. Mutter zahlt zwar die Rechnungen, aber das Haus gehört ihm. Wir sehen uns in ein paar Minuten, ja?«
»Ja, gern.« Annabel war ein wenig außer Atem und überwältigt von den Sprüngen in der Unterhaltung mit dem Mädchen mit den rotbraunen Haaren.
Es vergingen noch zwanzig Minuten, bevor sie das Musikzimmer betrat, denn es
Weitere Kostenlose Bücher