Dunkle Schatten (German Edition)
mit dem Kaffeelöffel eingebrockt.«
»Wovon redest du?«
»Stell dich nicht blöder als du bist. Rein zufällig tauchst du in der
Kantine auf und wartest nur darauf, einen Löffel fladdern zu können, den ich in
der Hand hatte, und gleich darauf präsentiert ihn dein Scheißfreund
Kokoschansky im Fernsehen mit meinen DNA-Spuren.«
»Ihr seid eben beide schon immer absolute Vollkoffer gewesen, du und dein
Spezi«, Petranko ist nicht aus der Ruhe zu bringen, »man braucht auch ein
Mindestmaß an Intelligenz, will man jemanden richtig eintunken.«
»Pass bloß auf, Petranko. Wir machen dich und Kokoschansky fertig.
Verlass dich drauf.«
»Mir schlottern bereits die Knie. Und jetzt verzieh dich, du Witzfigur.
Du verpestest hier nur die Luft, die ohnehin schlecht genug ist.«
»Ich habe ungarische Salami und ein wenig Polnische genommen«, Petrankos
Frau kehrt zu ihrem Mann zurück, »ist dir das recht, Schatz?«
»Also dann, Thomas«, augenblicklich schwenkt Erharter um, »schön, dich
wieder einmal gesehen zu haben. Lass dich wieder einmal bei uns blicken. Auf
Wiedersehen, Frau Petranko, und noch einen schönen Tag!« Erharter verschwindet
in der nächsten Regalgasse.
»Wer war das?«
»Ach, nur ein Exkollege. Haben wir jetzt endlich unseren Kram beisammen?
Ich will hier raus.«
*
Das weitere Essen verlief, zumindest von Kokoschanskys Seite aus, in
ziemlich frostiger Atmosphäre. Daher unterhielten sich meist nur Madeo, Saller
und Daramci ć größtenteils auf Italienisch, während er anstandshalber an den Speisen
herumwürgte. Der Appetit war ihm gründlich vergangen. Gegen Mitternacht hob der
`Ndrangheta-Boss endlich dieses Gelage auf, und sie zogen sich in ihre
Räumlichkeiten zurück.
Jetzt liegt Kokoschansky ausgestreckt und vollständig bekleidet auf dem
Rücken, die Hände im Nacken verschränkt, auf dem komfortablen Kingsizebett und
starrt zur Decke. In seiner Wut und Verzweiflung verwünscht er sogar Lena, dass
sie ihm diesen fatalen Tipp zukommen ließ, und verflucht sich selbst.
Scheiße, die ganze Zeit über war Ruhe, jetzt beginnt wieder seine kleine
Operationswunde zu schmerzen. Kokoschansky greift sich vorsichtig in den
Schritt, lässt die Hand darauf liegen.
Am Morgen wird er hoffentlich das ständig angekündigte Material erhalten
und dann nichts wie nach Hause. Er schwört sich, er lässt sie alle, ganz
gleich, wer darin verwickelt ist, auffliegen. Er wird diese Geschichte publik
machen, und sollte Saller tatsächlich etwas mit den Fotos zu tun haben, dann
wird er auch auf ihn keinerlei Rücksicht mehr nehmen.
Kokoschansky liegt völlig im Dunkeln, er will kein Licht anmachen. Obwohl
es ihn in den Fingern juckt, sein Zimmer näher in Augenschein zu nehmen. Es ist
eine laue Nacht. Kokoschansky hat das mannshohe Doppelflügelfenster weit
geöffnet. Eine leichte Brise bewegt sanft den durchsichtigen Vorhang, durch den
ein sternenklarer Himmel scheint. Es riecht nach Meer. Das war ihm gleich bei
seiner Ankunft aufgefallen. Madeos pompöser Unterschlupf muss sich in
unmittelbarer Küstennähe befinden.
An Schlaf ist nicht zu denken, obwohl er hundemüde ist. Draußen
veranstalten Milliarden von Zikaden ihr nächtliches Konzert.
Es ist kurz nach 2 Uhr früh. Langsam fallen ihm endlich doch die Augen
zu. Umbringen werden sie ihn nicht, da sie ihn angeblich brauchen. Außerdem,
wozu dann dieser Aufwand? Das hätten sie in Wien billiger haben können. Daher
kann er es sich leisten, vielleicht doch noch ein wenig Schlaf abzubekommen.
Tatsächlich ist er eingenickt, als ihn dieses eigenartige Geräusch weckt.
Es klingt wie ein überdimensionaler Wassertropfen, der auf einen harten
Untergrund aufschlägt und zerplatzt. Gleich darauf folgt ein leiser, dumpfer
Aufprall. Es muss in unmittelbarer Nähe seines geöffneten Fensters sein.
Plötzlich kehren die Erinnerungen wieder. Scheiße! Ja, genau! Schon
wieder! Geräusch und Aufprall. Kokoschansky wird siedend heiß. Natürlich! Das
sind Schüsse! Schüsse aus Waffen mit aufgeschraubten Schalldämpfern! Der
Aufprall stammt von getroffenen Körpern, die zusammensacken und zu Boden
fallen. Das hat er schon einmal erlebt.
Instinktiv rollt Kokoschansky sich blitzartig vom Bett und kriecht
schleunigst darunter. Zum Glück reicht die Überwurfdecke bis auf den Boden. Er
bekommt eine Ladung Staub in die Nase, kämpft gegen den Niesreiz, kann ihn
erfolgreich unterdrücken, kauert sich im hintersten Winkel zusammen, so gut das
eben einem
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