Dunkle Schatten (German Edition)
überzeugend warst
du.«
»Das fragst du?« Mit einem bösen Blick sieht Sonja ihre Rivalin an,
schiebt Lenas Hände weg, steht auf, scheint wieder gefasst zu sein. »Weil ich
neidisch bin! Weil du ihn dir unter den Nagel reißen konntest, wozu ich nicht
imstande war! Weil er dich fickt und ich nichts habe! Ja, einen wunderbaren
Buben, dem ich täglich etwas vorspielen muss, damit er nicht merkt, wie es
tatsächlich um mich steht. Darum habe ich das gemacht.« Sonja zündet sich mit
zitternden Händen eine Zigarette an, sieht Kokoschansky durchdringend an. »Du
hast unsere Familie in den Abgrund geführt. Du und dein verfluchter
Scheißberuf! Alle meine Träume sind geplatzt, alle meine Sehnsüchte in
unerreichbare Weiten entrückt. Danke schön, Koko. Bisher habe ich geschwiegen,
aber jetzt kann ich nicht mehr. Ich bin fertig und am Ende. Und du hast mir
meinen Sex geraubt. Diese verdammte Geschichte, durch die ich durch dich
unschuldig hineingezogen wurde, beinahe von einer Horde Männer vergewaltigt und
danach umgebracht worden wäre. Wegen dir musste ich monatelang in
psychiatrische Behandlung, ließ eine Unzahl Therapiesitzungen über mich
ergehen, nur damit ich meinen Alltag und meinen Beruf wieder halbwegs
bewältigen kann. Ich werde meinen Job als Krankenschwester sicherlich nicht
mehr lange ausüben können. Bevor mir ein gravierender Fehler unterläuft, höre
ich auf. Nur unser Sohn hält mich noch am Leben. Gäbe es ihn nicht, hätte ich mich
schon längst ausgeklinkt. Weißt du eigentlich, wie lange ich schon keinen Mann
mehr hatte?«
»Moment mal, Sonja«, Kokoschansky schwankt noch immer zwischen Wut und
Mitgefühl, »Tatsache bleibt wohl, dass du erst durch deinen damaligen Lover in
diese Kreise geraten bist. Erst dadurch war diese schreckliche Situation für
dich entstanden.«
»Ja, nachdem du genau in diesen Kreisen zum Herumschnüffeln angefangen
hast«, ereifert Sonja sich. »Ich habe euch nur immer die heile Welt
vorgegaukelt, wenn wir uns trafen oder ihr auf Besuch gekommen seid. Und wenn
ihr es genau wissen wollt, ich habe euch niemals euer Glück gegönnt.«
Die Küche beginnt, sich vor Lenas Augen zu drehen, und sie hat Mühe, sich
auf den Beinen zu halten. Niemals hätte sie angenommen, dass Sonja sich
dermaßen verstellen kann und der pure Hass aus ihr spricht. Sie hielt Sonja
bislang immer für eine gute Freundin, die akzeptiert hat, dass ihre Ehe
gescheitert ist und dennoch zu ihrem Ex und dessen neuer Lebensgefährtin ein
freundschaftliches Verhältnis pflegt. Mitnichten! Somit bewahrheitet sich zum
wiederholten Mal, niemand kann in einen anderen Menschen hineinsehen. Lena
schämt sich in Grund und Boden, dachte, sie verfüge, schon berufsbedingt, über
eine ausgezeichnete Menschenkenntnis.
Kokoschansky ist völlig von den Socken. Die bisherige Wut hat sich in
Mitleid und vor allem in Angst, Angst um seinen Sohn und auch um Sonja,
umgewandelt.
»Ich verstehe nicht, Sonja«, sagt Kokoschansky mit belegter Stimme,
»warum hast du nie mit mir, mit uns darüber gesprochen? Warum hast du zu so
einer Lüge greifen müssen?«
»Was hätte das geändert? Nichts«, erwidert Sonja trotzig, »oder hättest
du von ihr die Finger gelassen?« Sie vermeidet bewusst, Lenas Namen
auszusprechen, um auf diese Art ihre Verachtung zu zeigen.
»Das ist gründlich danebengegangen«, stellt Kokoschansky nüchtern fest,
»ich dachte immer, du bist eine gestandene Frau, die das Ende einer Beziehung
verkraften kann. Dem ist leider nicht so. Hör zu, Sonja. Lena und Günther
bedeuten mir alles, sind alles, was ich habe, und ich will nicht und lasse es
auch nicht zu, dass jemand, auch du nicht, einen Keil dazwischentreibt. Lass
dir helfen. Nimm wieder psychologische, psychiatrische Hilfe in Anspruch. Geh
wieder in Therapie. Die Scheißtabletten, die du dir dauernd einwirfst, schaden
doch nur. Natürlich sitzt du an der Quelle, kannst dir besorgen, was dir in den
Sinn kommt. Günther kommt in dieser Zeit zu uns, irgendwie bekommen wir das
schon auf die Reihe. Selbstverständlich kannst du unseren Jungen jederzeit
besuchen und wenn du wieder völlig hergestellt bist, kehrt er zu dir zurück.«
»Ich brauche keine Hilfe«, lehnt Sonja brüsk ab, »weder von dir, noch von
ihr oder sonst jemandem. Schon gar kein Mitleid. Ich komme alleine zurecht.
Dass ich gelogen habe, tut mir leid. Dafür entschuldige ich mich, aber mehr
nicht. Und jetzt geht, bitte.«
»Von meinem Jungen werde ich mich wohl noch verabschieden
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