Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
aufwiesen, wurden ihre Abbilder noch stärker verzerrt. Für ihre überempfindlichen Sinne schien es fast so, als würden groteske Gestalten ihnen zu beiden Seiten folgen und jeden ihrer Schritte bewachen. [Winde der Schmach]
Der Krieg, immer noch weit entfernt und gedämpft, wurde mit jedem ihrer Schritte lauter. [Das Gezogene chya]
Anonym und ohne Vorankündigung begaben sich Qu’us Avatar und der Gefährte in einem zivilen Shuttle hinauf zur Cle’eru-Orbitalstation. Jackie hatte in der vergangenen Nacht unruhig geschlafen. S’reth war derjenige gewesen, der den Shuttleflug arrangiert und Jackie den Weg zum Liegeplatz der Fair Damsel beschrieben hatte. Während sie über Dan McReynolds und dessen Schiff nachdachte, versuchte sie sich eine Konfrontation auf dem Deck der Station vorzustellen. Doch sie kam zu dem Schluss, dass es ihr völlig egal war, wie es ausgehen würde.
In der tiefsten Nacht, als ihre Verzweiflung am größten war, träumte sie von den Vuhl und dem fremdartigen Bild, das sie zeigte, wie sie sich unter der brennenden Emission einer Laserpistole auflöste, unmittelbar nachdem der bedauernswerte John Maisel … abgeschaltet worden war. Es lag noch gar nicht so lange zurück, nur ein paar Wochen – Wochen voller Lektionen, zu bedeutend, als dass sie sie je wieder hätte vergessen können.
Sie reiste inkognito und war weder der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit noch Objekt der Hochachtung. An ihr fiel lediglich auf, dass sie von einem Zor begleitet wurde.
Sie hieß jetzt Jacqueline Kearny, Navigatormaat von Dieron und bis vor kurzem Angehörige der Imperialen Navy.
Ch’k’te war Ch’k’te HeU’ur, ein Ingenieursmaat. Dokumente und Arbeitspapiere belegten diese Angaben. Auf der Fair Damsel waren offenbar genau diese beiden Posten frei, was ihnen beiden eine gute Tarnung für ihre Reise über die Linie gab.
Während der Stunde, die der Shuttle bis in den Orbit benötigte, versuchte Jackie, zu schlafen oder das zumindest vorzutäuschen. Ch’k’te meditierte in aller Ruhe, vermutlich ließ er in seinen Gedanken eine esLi-Scheibe entstehen, in der er Platz nehmen konnte. In jedem Fall wirkte er deutlich entspannter als sie. Gerade befand sich der Shuttle in der letzten Anflugphase, da erwachte Ch’k’te und schlug die Augen auf, streckte seine Muskeln und brachte seine Flügel sorgfältig in die Pose der Nahenden Gefahr.
Jackie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, die Flügelstellungen lesen zu können. Sie saß ihm gegenüber in einer abgeschiedenen Ecke der Aussichtslounge des Shuttles. Durch das Sichtfenster konnten sie die massige Station sehen, die zur Hälfte in Schatten getaucht war. Dahinter befand sich der gigantische blau-grüne Planet.
In einer fließenden Bewegung erhob Ch’k’te sich. »Man scheint uns zu erwarten«, sagte er ohne Vorrede.
»Das will ich doch hoffen.«
»Ein Fühlender erwartet uns, se Jackie«, fügte er an. Seine Flügelhaltung vermittelte vorsichtige Zurückhaltung. Sie widerstand dem Impuls, ihn um eine genauere Erklärung zu bitten, sondern folgte ihm einfach aus der Lounge in den Korridor, in dem bereits die anderen Passagiere eine Schlange bildeten, da jeder möglichst schnell den Shuttle verlassen wollte.
Kaum hatten sie das Deck der Station betreten, wurden ihre Augen von grellem Licht attackiert, das von allen Seiten gleichzeitig zu kommen schien. Jackie trug eine Kappe, die sie tiefer ins Gesicht zog, um ihre Augen abzuschirmen. Ch’k’te durchsuchte seine Reisetasche, während sie weitergingen, und zog schließlich eine Sonnenbrille hervor.
Auch wenn sie speziell an die Kopfform eines Zor angepasst war, hatte das Aussehen der Brille etwas unfreiwillig Komisches, sodass Jackie lächeln musste. Wenigstens gelang es ihr, nicht laut zu lachen, was seiner Würde und vielleicht auch ihrer Freundschaft hätte schaden können.
Der riesige Tonis der Station war größer als das Deck eines beliebigen Schiffs, größer auch als die Startbahn eines Transporters, was ihr das Gefühl gab, klein und unbedeutend zu sein. Frachtkarren eilten an ihnen vorbei und hielten sich dabei einigermaßen an die Fahrbahnen, die man auf dem Deck markiert hatte. Zu ihrer eigenen Sicherheit zogen sie sich an die äußere Wand zurück, wo sich ein gekennzeichneter und leicht erhöhter Fußweg befand.
Während sie die Liegeplätze verschiedener Handelsschiffe passierten, fiel Jackies Blick auf das Spiegelbild, das die geschwungene, glänzende Außenwand von ihnen
Weitere Kostenlose Bücher