Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
sprechen.«
»Ich halte es für angebracht, ein paar Dinge klarzustellen.« Er schob eine Schranktür auf und holte eine Plastikflasche heraus, öffnete den Deckel, nahm einen kräftigen Schluck und stellte sie dann beiläufig auf den Tisch. »Da ihr nun zu meiner Crew gehört, untersteht ihr auch meinem Kommando. Meine Befehle werden ausgeführt, oder ihr steigt am nächsten Haltepunkt aus. Klar?«
»Versteht sich von selbst.«
»Bist du dir wirklich ganz sicher, Jay? Du wirst dich nach deinem letzten Posten ziemlich umgewöhnen müssen. Galauniformen und weiße Handschuhe gibt’s hier nicht.«
»Hast du mich herbestellt, um mir vom Leben auf einem Handelsschiff zu erzählen? Ich weiß, was mich hier erwartet.«
»Wirklich?« Er nahm noch einen Schluck aus der Flasche und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Weißt du das wirklich? Um dir und deinem Caddy einen Platz auf meinem Schiff geben zu können, musste ich mich von zwei guten Crewmitgliedern trennen. Zugegeben, ich konnte ihnen zwar mit S’reths Hilfe Posten auf anderen Schiffen verschaffen, aber das ist trotzdem keine schöne Sache. Die zwei haben noch einen satten Bonus bekommen, damit sie den Mund halten, aber sie hatten hier an Bord viele Freunde. Hier beim zivilen Personal legt man nicht einfach eine Offiziersprüfung ab, und es gibt auch keine wöchentliche Inspektion. Hier wird man jeden Tag und bei jeder Schicht auf die Probe gestellt. Mach einen Fehler, einen einzigen, und die anderen werden dir die Hölle heißmachen. Wenn das passiert, kann ich mich nicht schützend vor euch stellen, ganz egal, wie wichtig diese Mission auch sein mag.«
»Versuchst du, mir Angst zu machen?«
»Du bist entschlossen, die ganz harte Tour zu fahren, oder? Machogehabe war ja schon immer eine deiner Stärken.« Er versteifte sich, und Jackie hätte fast laut losgelacht. Seinem Gesicht nach zu urteilen, schien er damit zu rechnen, dass sie ihn wieder zu Boden schicken würde. Sie bekam ihre Verärgerung in den Griff, da sie wusste, dass er bloß ihr Temperament auf die Probe stellte.
»Versuchst du, mir Angst zu machen?«, wiederholte sie.
»Nein, ich versuche nur, dich zu warnen. Pass auf dich auf. Jeder wird dich beobachten – ich, die Chefs der verschiedenen Abteilungen, deine Kameraden, die Leute, mit denen du beim Essen zusammensitzt … einfach jeder. Ich bekomme mein Geld, ob ich dich nach Crossover bringe oder nicht, aber als alter Freund von dir und als Freund von S’reth wäre es mir lieber, wenn ich dich wirklich dort absetzen könnte.«
»Dann sollte ich mich wohl bei dir bedanken.«
»Überanstreng dich lieber nicht.« Er wirkte so, als wollte er eine wütende Bemerkung machen, doch diesmal konnte er sie hinunterschlucken. »Hör zu, ich gehe davon aus, dass ich für dich ein paar Ausnahmen von den Regeln machen muss – für jeden von euch. Wenn ich es mir ersparen kann, umso besser. So sehr es meinem Ego auch gut tun würde, dir die ganze Reise über helfen zu müssen, wäre es für euch besser, wenn sich unsere Wege bis zum Schluss nicht kreuzen würden. Ich denke, das war’s erst mal. Jetzt richtet euch ein, und dann ab an die Arbeit. Weggetreten.«
Er verabschiedete sie mit einem Salut, der bei der Imperialen Navy als nachlässig gegolten hätte, hier dagegen das Höchstmaß an Formalität darzustellen schien. Ohne sie noch eines Blicks zu würdigen, widmete er sich wieder dem Verzeichnis.
Tausend Kleinigkeiten sind zu beachten, bevor ein Handelsschiff von einem Raumhafen ablegen kann. Alles Geschäftliche – Liegegebühren, Vertragsabschlüsse, Registrierung von Waren – fällt in den Verantwortungsbereich der Frachtcrew. Auf einem kleinen Schiff gehört fast jeder zu dieser Crew.
Die meisten Reisenden bekommen nie etwas davon mit, was an einem Dock vor sich geht. Für Jackie war es eine erstaunliche Erfahrung. Anstatt von der Brücke oder einer Station aus das Ganze zu überwachen, hetzte sie sich ab, um den Termin einzuhalten. Sie war dem Sultan unterstellt worden und versuchte, so schnell wie möglich das Schiff zu beladen und die Fracht zu verstauen. Dockgebühren wurden auf Stundenbasis abgerechnet, und für ein Schiff wie die Fair Damsel konnten ein paar Stunden über Gewinn oder Verlust entscheiden. Als die Damsel endlich ablegte, waren Jackie und Ch’k’te so erschöpft und hungrig wie jeder andere. Sie hatten erst einmal Schichtende und begaben sich zur mittschiffs gelegenen Kombüse, wo sie sich eine ruhige
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