Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
gewachsen bist.
Was zum Teufel soll das heißen?, wollte sie wissen.
Es kam keine Antwort. Stattdessen wurde die unheilvolle Stille auf einmal von einem noch erschreckenderen Geräusch zerrissen. Die Hydraulik begann zu ächzen, und als Jackie sich umdrehte, sah sie, wie sich die Frachtluke zu öffnen begann.
Sekundenlang konnte sie nur fassungslos dastehen. Wäre die Fair Damsel im Normalraum unterwegs, dann wäre Jackie fast sofort tot gewesen, da es sie auf der Stelle aus dem Frachtraum gerissen hätte. Sie wäre vom Vakuum zerrissen worden und erfroren, noch bevor sie Zeit gefunden hätte, mit Entsetzen zu reagieren. Es kam einer Offenbarung gleich, dass diese Dinge stimmten und dass sie sich ihrer bewusst war. Die Luke öffnete sich weiter und weiter, aber es kam nicht zum abrupten Druckabfall.
Dahinter lag die Dunkelheit. Nicht die stürmische Dunkelheit der Nächte auf Cicero. Es war in gewisser Weise das Gegenteil von Licht, die Antithese, eine Verdammnis, in die Licht vordringen, aber niemals von dort zurückkehren konnte. Die filternden und polarisierenden Monitore an Bord von Schiffen im Sprung dämpften diese totale Schwärze ein wenig und machten sie fassbar.
Doch hier in ihrem unmittelbaren Angesicht schien die scharfe Grenze zwischen Deckbeleuchtung und dem schwarzen Nichts zu verschwinden. Es war so, als würde die Dunkelheit unbändig aufs Deck überschwappen.
In dieser Schwärze machte sie Formen aus – oder spielten ihre Augen ihr einen Streich? Da waren Tentakel und Pseudopodien, dunkle, habgierige, starre Augen, vor Angst verzerrte Gesichter … gegliederte Flügel mit einem Phosphorleuchten, lang gestreckte Arme, die nach ihr griffen …
Hinter ihr waren Geräusche zu hören, das Schaben von Krallen auf dem Deck, das Trampeln zahlreicher Füße. Während sie ihr chya zog – es sprang ihr fast von selbst in die Hand – und ihre Flügel die Pose des Trotzes einnahmen, wandte sie sich von der Schleichenden Finsternis ab, um sich ihren Angreifern zu stellen …
»Ja, das ist Marcel.« Rafe blickte um die Säule und lehnte sich dann wieder zurück. Sie standen am einen Ende eines erhöhten Fußwegs. Ihre Aufmerksamkeit war auf einen Straßenhändler gerichtet, der einige hundert Meter von ihnen entfernt stand. »Dr. Marcel Liang und zwei Leute von der Krankenstation. Die Negri hat angedockt, so wie Sean es sagte.«
»Und er ist der Erste, den Sie von der Crew der Negri gesehen haben?«, wollte Owen wissen und warf einen Blick in die gleiche Richtung.
»Seit Mitte letzten Monats. Bevor Sie auftauchten.« Rafe sah wieder hin. »Ist irgendeiner von denen ein Alien?«
»Da bin ich mir nicht sicher.«
Owen stützte sich mit einer Hand an der Säule ab und konzentrierte sich. Inzwischen fiel es ihm leichter, denn er musste nur an den Tod seiner Kameraden des Geschwaders Grün denken, und sofort kamen die Emotionen wieder an die Oberfläche. Der Lärm auf der Straße rückte in die Ferne, während er genauer hinsah, um festzustellen, ob irgendetwas nicht stimmte.
»Der da«, erklärte er schließlich und zeigte auf den linken von zwei Marines, die sich in der Nähe von Dr. Marcel und den beiden anderen aufhielten. »Er ist ein Käfer, aber er ist der einzige.«
»Glauben Sie, sie wissen es?«, fragte Rafe.
»Darauf können Sie wetten. Sehen Sie sich nur an, wie die anderen sich benehmen.« Rafe schaute genauer hin und bemerkte, dass alle aus der Gruppe sich den Anweisungen des getarnten Aliens zu beugen schienen, der sie fast unauffällig die Straße entlangführte. Sogar der andere Marine wirkte ein wenig eingeschüchtert.
Rafe drehte sich um und gab Sean Williams und Desi Rashid – zwei muskulösen Crewmitgliedern der Negri, die ebenfalls auf Center festsaßen – ein knappes Zeichen, dann machten sich die beiden auf den Weg. Sie schienen weder von Rafe und Owen noch von der anderen Gruppe Notiz zu nehmen, sondern einfach nur ihre Freizeit zu genießen. Mit ein wenig Abstand folgten Rafe und Owen ihnen.
»Ich nehme mir den anderen Marine vor, Sie kümmern sich um den Käfer«, sagte Rafe leise. »Der Doc und seine Jungs werden mitmachen, die kennen mich.«
Owen erwiderte nichts. Er ging weiter auf den Alien zu, der sich als imperialer Marine getarnt hatte. Er musste gar nicht erst das Gefühl entwickeln, der Zorn stieg ganz von selbst in ihm auf und ließ die Szene in den Brennpunkt rücken.
Als die Entfernung noch hundert Meter betrug, hatte der falsche Marine Owen noch immer den
Weitere Kostenlose Bücher