Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
keine Ahnung. Cicero Op ist in Feindeshand, und ich muss davon ausgehen, dass es in Cicero Down nicht besser aussieht. Ich habe kein Signal gesendet, weil ich damit nur unsere Position verraten würde.« Sie stellte den Becher ab. »Da die Vorräte der Kapsel komplett sind und die Batterien noch volle Leistung haben, können wir hier zwei bis drei Monate überleben. Außerdem bietet die Natur noch das eine oder andere, um diesen Zeitrahmen zu erweitern. Das Problem ist nur: Es führt zu nichts.«
»Zu was sollte es denn führen, se Jackie?«
»Ich habe hier das Kommando, Ch’k’te. Ich kann nicht einfach dasitzen und nichts tun, während … während irgendwelche Aliens die Kontrolle über alles haben.«
Ch’k’te setzte sich im Schneidersitz hin und legte die Flügel wie einen Umhang um sich. »Meine Frage bleibt damit bestehen.«
»Verstehen Sie denn nicht, verdammt noch mal? Wir befinden uns im Krieg, Ch’k’te! Diese … Dinger … kontrollieren Cicero! Sie haben Tolliver getötet und Noyes ersetzt. Vielleicht haben sie inzwischen auch se Sergei umgebracht …«
»Daran können wir wenig ändern. Wir sind nur zu zweit, ich bin noch nicht völlig wiederhergestellt. Wir haben keine Flotte, auf die wir zurückgreifen können. Wir sind nicht mal in der Lage, den Orbit zu erreichen.«
»Ich kann nicht dasitzen und überhaupt nichts tun.«
»Schön und gut, aber was können wir eigentlich tun?«
»Ich … ich weiß es nicht.« Sie ballte die Fäuste. »Aber wir müssen irgendetwas unternehmen.«
Ch’k’te erwiderte darauf nichts.
»Falls Sie mir nicht helfen wollen, werde ich es allein tun.« Sie griff nach ihrem Thermoanzug …
Ch’k’te bewegte sich so schnell, dass sie es fast nicht nachvollziehen konnte. Bevor sie ihren Anzug zu fassen bekam, hatte er bereits ihr Handgelenk gepackt. Sein Griff war fest, und Jackie ärgerte sich darüber, sich nicht befreien zu können.
Der Zor hatte eindeutig Schmerzen, doch mit der anderen Hand griff er nach ihrer Schulter und hielt sie ebenso fest. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.
»Nein«, sagte er, »das werden Sie nicht. In einer Stunde wird es dunkel, wir sind hunderte von Kilometern von der Zivilisation entfernt, und der nächste Schneesturm ist nur eine Frage der Zeit. Wenn Sie jetzt irgendetwas versuchen, werden Sie garantiert nicht lange überleben.«
»Lassen Sie mich los«, sagte sie, während sie gegen seinen Griff ankämpfte.
»Verzeihen Sie, dass ich mich Ihrem Befehl widersetze«, gab er zurück. »Das geschieht nicht aus Missachtung, sondern vielmehr aus Zuneigung. Ich … Sie sind mir wichtig, se Jackie. Ich möchte nicht, dass Sie schon jetzt den Äußeren Frieden überwinden.«
Sie betrachtete ihn, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. Seit über vier Jahren kannte sie Ch’k’te inzwischen, und sie hatte ihn immer für einen guten Offizier gehalten, für jemanden, dem sie vertrauen konnte. Jetzt schien sie endlich zu akzeptieren, dass er mehr als nur ein Kamerad – dass er auch ein guter Freund war.
Jackie war sich nicht sicher, ob sie sich wirklich noch bei Anbruch der Dämmerung auf den Weg gemacht hätte, aber das war jetzt auch nicht mehr so wichtig. Vorsichtig streckte sie ihren freien Arm aus und legte ihn um Ch’k’tes Taille, wobei sie darauf achtete, dass sie seinen Verband nicht berührte. Er ließ ihren anderen Arm los, mit dem sie ihn ebenfalls umfasste, dann merkte sie, wie er sie seinerseits umarmte und zudem seine Flügel um sie legte.
Sie sah in sein Gesicht und entdeckte Tränen, die ihm über die Wangen liefen. Bislang war ihr nicht klar gewesen, dass Zor ebenfalls weinen konnten, doch es überraschte sie auch nicht.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, erklärte sie nach einer Weile.
Ch’k’te erwiderte nichts, strich aber sanft mit den Flügeln über ihre Schultern. Es hatte etwas Tröstendes, aber nichts Erregendes – dafür waren es die falschen Pheromone. Sie war sich sicher, dass dieses Verhalten eine erhebliche Überwindung für den Zor bedeutete, der ihr gegenüber zuvor noch nie irgendwelche Gefühlsregungen hatte erkennen lassen. Auch das Tabu des ›Berührens‹ zwischen Menschen und Zor spielte eine wichtige Rolle, und dass Ch’k’te sich darüber hinwegsetzte, gab einen Hinweis auf seine wahren Gefühle.
Nach einiger Zeit ließ er sie schließlich wieder los. Der Himmel hatte eine graue Färbung mit einem blassen, orangefarbenen Hauch angenommen. Behutsam
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