Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
einer Fühlenden.
»Aber Sie sind eine Fühlende«, sagte Th’an’yas Spiegelbild. »Sie sind mehr eine Fühlende, als Sie glauben. Zwar sind Sie keine vom Volk, doch um die Ehre, die mein Partner Ihnen zuteilwerden ließ, würde jeder aus dem Volk Sie beneiden.«
»Ich bin mir nicht sicher, dass ich das durchziehen kann«, erwiderte Jackie und spielte mit dem Saum ihres Gewands. »Was immer ich für Ch’k’te bin, ich kann für ihn keine Zor sein.«
»Das erwartet er auch nicht. Ich bin auch davon überzeugt, dass er nicht damit rechnete, Sie könnten eine so natürliche Fähigkeit unter Beweis stellen. Aus diesem Grund ist mein hsi zu Ihnen gekommen. Ich sah in einem Traum meinen eigenen Tod, viele Jahre bevor er eintrat. Ich gab fast mein ganzes hsi an le Ch’k’te, damit er darüber verfügen kann, wenn er es benötigen würde. Als er mit Ihnen die Verbindung einging, rief er mich zu sich. Was ich damals nicht wusste, weiß ich jetzt: Mein hsi war dazu bestimmt, Ihnen zu helfen. Deshalb bin ich hier.«
»Warum ich?«
Auf diese Frage ging Th’an’ya nicht ein. »se Jackie, ich lebe nur noch durch Sie. Auch wenn es für le Ch’k’te schmerzhaft sein wird zu wissen, dass ich ihn verlassen habe, wird er verstehen, dass esLi am besten gedient ist, wenn ich Ihre Lehrerin werde und Sie führe – und hoffentlich auch Ihre Freundin werde.«
»Indem Sie sich an die Oberfläche drängen? Indem Sie meinen Kopf mit Zor-Gedichten überfluten?«
»Ich … ich verstehe nicht.« Th’an’yas Bild stand auf und ging zum Spiegel, während Jackies Abbild abermals kurz verschwamm. »Dies hier ist das erste Mal, dass ich zu Ihnen spreche, seit unsere Verbindung auf Cicero unterbrochen wurde.«
»Sie reden doch schon seit Tagen auf mich ein! Sie haben … Da war dieser Satz über esGa’us Schwinge: Ich wüsste, wie ich mich den Vuhl widersetzen könnte.«
»Das war ich nicht, se Jackie. Ich habe nichts in dieser Art getan.«
Jackie sah nachdenklich Th’an'yas Spiegelbild an. »Es ist auch egal. Was gibt Ihnen das Recht, in meinem Verstand Ihren … Ihren Haushalt einzurichten? Habe ich nicht schon genug Probleme?«
»Es ist der Wille von esLi«
»Sie sollten sich lieber ein besseres Argument einfallen lassen.«
»Ch’k’te ist ein begabter Fühlender mit starkem Willen, aber er wird niemals so mächtig werden wie Sie. Ch’k’te kann nicht das leisten, was Sie leisten müssen. Dafür benötigen Sie meine Hilfe. Es ist der Wille von esLi.«
»Mächtiger als …«
Mit einem Mal kam Jackie sich dem Schicksal ausgeliefert vor, mehr als jemals zuvor in ihrer Karriere, mehr als in ihrem ganzen Leben. Aus dem Augenwinkel betrachtete sie ihr Spiegelbild.
Sie sah sehr verängstigt aus, und so fühlte sie sich auch. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich zu beruhigen, indem sie tief durchatmete und sich so aufrecht hinstellte, als befinde sie sich auf der Brücke eines Raumschiffs.
»Die Imperiale Navy«, sagte sie nach einem Moment, »hat etwa vierhundert menschliche Fühlende in ihren Diensten. Meiner Ansicht nach handelt es sich bei ihnen um eine ziemlich abscheuliche Truppe, die mit Disziplin und Verantwortung nichts zu schaffen hat. Sie werden kaum ihren eigenen körperlichen Bedürfnissen gerecht, und persönliche Hygiene scheint sie so gut wie gar nicht zu interessieren.«
Sie hielt kurz inne. »Nach meinem Abschluss an der Akademie und auf meinem ersten Posten wurde ich routinemäßig auf Talente als Fühlende getestet. Beide Male bin ich beim E3G-Test durchgefallen. Man setzte mich unter Medikamente, und ich verlor achtundvierzig Stunden meines Lebens, während diese … diese Zivilisten wie Ungeziefer durch meinen Verstand krochen, um nach verborgenen Talenten zu suchen, von denen ich nicht mal glaubte, dass irgendein Mensch sie überhaupt besitzen könnte. Am Ende hieß es, da seien möglicherweise gewisse Fähigkeiten vorhanden, doch nach allem, was ich gesehen hatte, wollte ich keine von denen werden. Und ich will es noch immer nicht, si Th’an’ya, auch nicht unter Ihrer Anleitung, und nicht auf Ihr Drängen hin, selbst wenn es esLis gottverdammter Wille ist. Mir ist egal, wer oder was Sie sind. Fühlende sind alles, was ich nicht bin: Sie weisen alle Eigenschaften auf, die ich verabscheue. Wenn Sie glauben, ich werde mich in ein … ich werde mich einer solchen Trägheit unterwerfen, dann haben Sie falsch gedacht. Und dann sollten Sie sich schnellstens einen anderen Wirtskörper suchen.«
Jackie
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