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Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad

Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad

Titel: Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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sah sich im Spiegel an, und auf einmal kam ihr das Gewand albern vor, als hätte sie sich für eine Maskerade kostümiert.
    »Ich verstehe Ihre Sorge. Aber mir kommt es so vor, als hätten Sie vor Ihrer eigenen Begabung Angst.«
    »Sie haben recht!« Sie wandte sich vom Spiegel ab, öffnete die Schärpe und begann, das Gewand abzulegen. »Da haben Sie verdammt recht. Ich kann nicht – ich kann das nicht durchziehen. Ich weiß, wo meine Grenzen liegen.«
    »Sie haben keine Ahnung«, sagte Th’an’ya ruhig. »Sie können es nicht verstehen.«
    Halb ausgezogen hielt Jackie in der Bewegung inne und drehte sich schließlich wieder zum Spiegel um. »Ja, das stimmt«, entgegnete sie und zeigte auf die Zor im Spiegel. »Ich habe keine Ahnung. Und ich hatte auch keine Ahnung, seit das alles hier begann. Ständig …« Sie ließ die Arme sinken und sah zu Boden. »Ständig lief es auf etwas hinaus, das ich nicht verstehe – das ich nicht begreifen kann. Ich bin Offizier der Navy, ich stehe seit vielen Jahren im Dienst Seiner Majestät, und man sagt mir, dass ich den ganzen Umfang meines Handelns nicht verstehen kann. Und jetzt kommen Sie daher und sagen mir, ich sei eine Fühlende, was ebenfalls über mein Verständnis hinausgeht. Ich mache das nicht mit, Th’an’ya, ich mache es nicht mit. Ob ich weiterhin Offizier bin oder ob ich eine … eine Fühlende sein werde, muss meine Entscheidung bleiben, und ich muss die Kontrolle über mein Handeln und meinen Körper besitzen. Mein Körper, verstehen Sie?«
    Jackie zeigte mit dem Daumen auf sich.
    »Keine Flügel, keine Krallen, sondern meine Gesichtszüge, mein eigener Verstand, und ich habe über das alles die Kontrolle. Wenn Sie in meinem Kopf stecken, um meine Lehrerin zu werden … und meine Freundin, dann muss das zu meinen Bedingungen erfolgen, und zwar ganz ohne Tricks. Wenn Sie dazu nicht bereit sind, dann sollten Sie lieber zusehen, dass Sie so schnell wie möglich das Weite suchen.«
    »Ich … ich werde nichts ohne Ihre Zustimmung tun, se Jackie.«
    »Auch nicht bei dieser … Prüfung?«
    »Auch nicht während des Dsen’yen’ch’a, se Jackie. Es ist Ihr Körper und Ihr Leben. In dieser Angelegenheit bin ich nur der Handelnde für esLi Ich werde mich nicht einmischen, aber ich werde stets bereit sein zu helfen.«
    Jackie sah erst sich an, dann betrachtete sie das Zor-Bild. Sie legte das Gewand wieder um und zog die Schärpe fest, schließlich stellte sie sich vor den Spiegel und schaute zu, wie Th’an’ya das Gleiche tat, bis sie sich über ihre Umrisse gelegt hatte. Langsam streckte sie den Arm nach dem Spiegel aus. Dabei beobachtete sie, wie die Zor die Geste nachvollzog. Einen Moment lang schien es so, als würden sich ihre Hände tatsächlich berühren.

 14. Kapitel
     
     
    Er lief auf einer erhöht gelegenen Plattform entlang, die sich gut hundert Meter über dem Grund befand. Das Erste, was ihm bewusst wurde, war der Lärm: Stimmen, Verkehr, Maschinen, das Geräusch tausender Menschen um ihn herum.
    Das Letzte, woran er sich erinnern konnte … er schoss in seinem Jäger durchs All, vor ihm ein gewaltiges fremdes Raumschiff.
    Owen Garrett drehte sich zur Seite und griff nach dem Geländer, als wolle er sich an der ganzen Welt festklammern. Beim besten Willen konnte er keine Verbindung zwischen diesen zwei Punkten herstellen: dem Ort, an dem er sich zuletzt aufgehalten hatte, und dem Ort, an dem er sich nun befand. In seinen acht Jahren als Offizier und Gentleman waren ihm schon mal ein paar Stunden entfallen, aber noch nie … noch nie …
    Was mache ich hier?, fragte ersieh. Wie bin ich hergekommen?
    Die Antwort ging ihm sofort durch den Kopf: Du bist auf dem Weg zur Arbeit.
    Ja, stimmt, dachte er. Reiß dich zusammen. Seit vier Jahren war er Jägerpilot, man hatte ihn ausgebildet, damit er nicht in Panik geriet.
    Er ließ das Geländer los und ging weiter zur Arbeit – zu einem Kraftwerk hier in der größten Stadt auf Center. Er sah hinauf zu einem der Wolkenkratzer, an dem sich eine Zeitanzeige befand. Noch dreißig Minuten bis zum Beginn seiner Schicht – Zeit genug, um unterwegs noch einen Kaffee zu trinken.
    Ein paar hundert Meter weiter betrat er ein überfülltes Lokal. Aus einer Tasche seines Overalls zog er einen Computer und hielt ihn dem Sensor auf der Theke hin. »Einen kleinen Kaffee«, sagte er.
    Eine Klappe glitt zur Seite, ein Becher aus geformtem Plastik kam zum Vorschein. Der vertraute Geruch von schlecht aufgebrühtem Kaffee

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