Dunkle Seelen
aus. Solltest du einen knackigen Hintern sehen, schienen seine verschmitzten Augen zu sagen, dann liegt das nur an deiner schmutzigen Fantasie. Wie um es zu beweisen, schlug er klatschend mit den Händen auf seine Skulptur, schloss für einen Moment die Augen und öffnete sie dann grinsend wieder.
»Du«, formte sie mit den Lippen, obwohl sie ein Lächeln nicht unterdrücken konnte, »bist abstoßend!«
Woraufhin er nur noch breiter grinste.
Widerstrebend musste Cassie sich eingestehen, dass sie an diesem Morgen froh über Richards Anwesenheit im Kurs war. Sie konnte nicht leugnen, dass er sie wieder aufgemuntert hatte. Und sie war sich nicht sicher, ob sie die Stunde durchgestanden hätte, wenn er sie nicht mit seinem lüsternen Unfug abgelenkt hätte. Nicht solange die Blicke aus Ranjits tödlichen, schönen Augen sich in ihren Rücken bohrten. Sobald sie aufgeräumt hatten und die Klasse entlassen war, stürzte Cassie davon. Sie würde nicht herumlungern und eine scheußliche Konfrontation mit ihrem Ex riskieren.
Ihrem Ex. Ja, das war alles, was er war. Cassie knirschte mit den Zähnen und schlängelte sich geschickt durch die Menschenmenge im Flur. Dabei versuchte sie, das Elend, das an ihren Eingeweiden zog, zu ignorieren. Die hämische Stimme des Geistes machte das Ganze nicht wirklich besser. Sie erinnerte Cassie nur daran, wie stark seine Anziehungskraft gewesen war, sowohl für Estelle als auch für sie selbst. Ehrlich, dachte sie, Estelle protestierte zu viel. Aber wie konnte sie von einem boshaften Geist erwarten, dass er sich damit abfand, verschmäht zu werden? Kein Wunder, dass die alte Schachtel verbittert war. Kein Wunder, dass sie nur Cassie und sich selbst triumphieren sehen wollte. Wenn Estelle sie doch nur nicht ständig an seine Reize erinnert hätte.
Wen kümmert schon ein hübsches Gesicht? Hypnotische Au gen? Ha! Seine weiche Haut? Was ist das schon wert? Wir dachten, er sei unser Beschützer, nicht wahr? Unser Geliebter für die Ewigkeit, der Teil, der uns fehlt. Aber er hat dich im Stich gelassen, Cassandra! Er hat dich verraten! Uns verraten!
Na ja, angeblich hat er zu unserem eigenen Wohl so ge handelt, Estelle, dachte Cassie - obwohl sie kaum glauben konnte, dass sie Ranjits eigene Verteidigung nutzte, um sich zu rechtfertigen. Anscheinend musste er Sir Alrics Befehle befolgen, um zu verhindern, dass sie mich in die Sichere Stätte steckten ...
Er ist ein Feigling!
Das stimmt, dachte Cassie grimmig. Sie musste sich das immer wieder ins Gedächtnis rufen. Ranjit hätte es versuchen können, hätte eine Möglichkeit finden können, Sir Alrics Anordnung zu umgehen. Doch er hatte aufgegeben. Estelle hatte recht. Er hatte sie im Stich gelassen.
Während des restlichen Tages gelang es Cassie, Ranjit aus dem Weg zu gehen.Vielleicht lag es daran, dass sie sich seiner Gegenwart so über die Maßen bewusst war. Trotz dem war sie zufrieden mit sich, weil sie sich aus seinem Magnetfeld entfernte, wann immer sie die Anziehung spürte. Isabella schien zu begreifen, dass es ihr schwerfiel, denn sie klebte den ganzen Tag an Cassie und hakte sie unter, während sie von Kurs zu Kurs eilten. Natürlich, dachte Cassie, ihre Freundin wusste genau, wie sie sich fühlte...
»Komm schon, erzähl mir den neuesten Tratsch«, sagte Cassie in der Pause zwischen Englischer Literatur und Russisch. »Ich wette, du hast schon einiges aufgeschnappt.«
Und neben Einkaufsbummeln hatte ordentlicher Tratsch Isabella noch immer aufgemuntert. Vielleicht würde es für sie beide funktionieren.
Isabellas Miene hellte sich ein wenig auf. Sie schien froh darüber zu sein, von ihrer Trübsal abgelenkt zu wer den. »Okay. Also, Alice«, flüsterte sie und deutete mit dem Kopf über den Innenhof auf das englische Mädchen, das einst die Mitbewohnerin der bösen Keiko gewesen war, »sie und Yusuf, wie es aussieht. Obwohl das wahrscheinlich nicht lange halten wird, so wie ich ihn kenne. Aber sie waren gestern Nacht im Bootshaus. Richard hat sie dabei ertappt, wie sie sich küssten.«
»Nein!« Cassie starrte das Mädchen an. »Ich dachte, Yusuf interessiere sich nur für die anderen Auserwählten. Ich hoffe, er benimmt sich.«
Isabella verdrehte die Augen. »Ich denke nicht, dass er so wählerisch ist. Und natürlich benimmt er sich nicht, er ist absolut — wie heißt das Wort noch? — unverbesserlich.«
»Das ist es nicht, was ich gemeint habe.« Cassie sah ihre Mitbewohnerin vielsagend an.
»Oh! Oh, ich
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