Dunkle Sehnsucht des Verlangens
Weisheit
verfüge, um mich selbst zu verteidigen.«
»Und was meinst du?« Julian
stellte die Frage ernsthaft, ohne den Blick von Desari abzuwenden. Auch
versuchte er nicht, in ihre Gedanken einzudringen, sondern wollte ihr in dieser
Angelegenheit ein wenig Privatsphäre zugestehen.
Selbstverständlich bin ich stark
und weise genug, um mich gegen einen Vampir zu verteidigen!, wollte sie ihm im
ersten Moment erklären. Sie holte sogar tief Atem und öffnete den Mund, schloss
ihn dann aber wieder. War sie wirklich im Stande zu töten, selbst wenn ihr
Opfer ein Vampir sein sollte? Die Antwort lautete nein. Sie konnte es nicht.
Sie wäre nicht einmal in der Lage, einen Vampir - die Inkarnation des Bösen -
zu zerstören. Außerdem hätte sie niemals die Wirkung des Giftes so bekämpfen
können, wie Julian es vermocht hatte. Der Vampir hätte sie aller
Wahrscheinlichkeit nach besiegt.
»Ich kann nicht töten«,
antwortete sie ehrlich. »Doch das ändert nicht viel an meiner Einstellung. Nur
weil ich nicht über dieselben Fälligkeiten verfüge wie du, sollte ich dir
trotzdem nicht wie ein kleines Kind gehorchen müssen.
Ich hätte dich niemals in deinem
Kampf behindert oder dich in Gefahr gebracht.«
Zärtlich legte ihr Julian die
Hand in den Nacken. »Allein deine Anwesenheit war gefährlich, Desari. Ich
konnte dem Vampir nicht meine volle Aufmerksamkeit widmen. Wenn ich in der
Vergangenheit in die Schlacht gezogen bin, gab es nur den Vampir und mich.«
»Und was hat sich jetzt
verändert?« Desaris Stimme klang sanft und wunderschön, und ihre Reinheit
erfüllte Julians Seele mit Frieden.
»Wenn ich jetzt sterbe, stirbst
auch du, Desari. Siehst du denn nicht ein, dass die Welt deine besondere
Begabung dringend braucht? Deine Stimme bringt allen Lebewesen auf der Welt
Frieden und Freude - Tieren, Menschen und Karpatianern. Zwar wissen wir noch
nicht genug darüber, doch vielleicht könnte deine Stimme sogar dazu beitragen,
dass unserem aussterbenden Volk wieder weibliche Nachkommen geboren werden.
Ich will dich ständig an meiner Seite wissen, aber darüber hinaus fühle ich
mich auch aus diesem Grund für deine Sicherheit verantwortlich. Jetzt verstehe
ich, unter welchem Druck Darius in all den Jahrhunderten stand. Du verfügst
über eine unschätzbare Gabe, Desari, und wir dürfen nicht riskieren, sie zu verlieren.«
Trotz des ernsthaften Gesprächs
musste Desari lächeln. »Du solltest mich nicht auf ein Podest stellen, Julian.
Ich weiß nicht, ob meine Stimme all die Wunder vollbringen kann, die du dir
vorstellst, doch ich danke dir für das Kompliment. Ich besitze zwar nicht die
Fähigkeiten, einen Vampir zu töten, dafür verfüge ich aber über die Weisheit,
mich nicht in einen Kampf mit ihm verwickeln zu lassen. Und wichtiger noch,
Julian, ich respektiere deine Fähigkeiten und bin stolz auf deine Stärke. Ich
bin weder besonders irrational noch würde ich mich absichtlich in Gefahr
begeben. Du solltest nicht versuchen, meinen Gehorsam zu erzwingen. Ich werde
in gefährlichen Situationen deinem Rat folgen, weil ich es so will.« Als Desari das Kinn hob, sah
sie ein wenig hochmütig aus.
Julian war daran gewöhnt, über
seine Welt zu bestimmen. Außerdem hatte er Frauen immer als das sanftere,
schwächere Geschlecht betrachtet. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass
eine Frau auf ihre Weise ebenso mächtig sein könnte wie er. Desari hatte Recht.
Er sollte ihren Gehorsam nicht erzwingen, selbst wenn ihr Leben in Gefahr war.
Sie würde sich ihm nur freiwillig unterordnen. Wie überheblich doch die Männer
des karpatianischen Volkes geworden waren! Julian fuhr sich durchs Haar und hob
nachdenklich die Augenbrauen. »Dein Argument ist nicht ganz falsch«, gab er zu
und versuchte, den Anschein zu erwecken, als müsste er noch über die Sache nachdenken.
Desaris dunkle Augen blitzten.
»Es ist die reine Wahrheit.«
Nachdenklich rieb sich Julian
die Nasenwurzel. »Ja, vielleicht enthält es ein Körnchen Wahrheit.«
Desari musste lachen. »Du
provozierst mich nur, weil du nicht zugeben kannst, dass ich Recht habe. Es
würde deinem männlichen Ego schaden.«
»Nicht nur meinem, cara mia«, erwiderte Julian grinsend, »es
würde das Ego eines jeden Jägers gefährden, der seine Gefährtin findet. Ich
werde es sehr genießen, die anderen dabei zu beobachten, diese interessante
Lektion zu lernen, wenn sie an der Reihe sind. In der Zwischenzeit, Desari,
könntest du vielleicht so tun, als gehorchtest du mir
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