Dunkle Sehnsucht des Verlangens
sie
nach der telepathischen Verbindung zu ihm, musste jedoch feststellen, dass er
jeden Gedanken an sie verdrängt hatte und nur noch vom gnadenlosen Jagdinstinkt
eines Raubtiers beherrscht wurde. Immer wieder griff er den Vampir an, und
jeder seiner schnellen, kraftvollen Hiebe schwächte den Untoten.
Zwar hatte der Vampir keine
Chance, sich unsichtbar zu machen, um zu entkommen, doch seine Klauen und das
giftige Blut richteten großen Schaden an. Selbst in der Gestalt der Eule war
Julian noch immer schwer verletzt von dem Überraschungsangriff des anderen
Vampirs. Desari beobachtete, wie der Raubvogel einen Flügel schonte, den er
nie zu voller Spannweite ausbreitete. Sie wusste, Julian hätte auch diesem
Schlag entgehen können, wenn er nicht von seiner Sorge um sie abgelenkt gewesen
wäre. Dennoch bewegte er sich blitzschnell, schlug zu und zog sich wieder
zurück, sodass dem Untoten keine Zeit blieb, seine Kräfte zu sammeln und dem
Angriff mit der Macht des Bösen zu begegnen. Sein entsetzliches Geheul
schmerzte in Desaris Ohren. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen, um
nicht mit ansehen zu müssen, wie die Eulen tödlich verletzt zu Boden fielen.
Auch wollte sie nicht mehr auf die groteske Gestalt des Vampirs blicken müssen.
Die tiefen Schnittwunden in seinem Gesicht ließen seine Züge nur noch schrecklicher
erscheinen. Trotz seiner schweren Verletzungen weigerte er sich, die Tatsache
anzuerkennen, dass er keine Chance hatte.
Sein giftiges Blut floss über
den Waldboden, schien beinahe wie aus eigenem Willen durchs Gras zu kriechen
und nach einem Opfer zu suchen. Wenn es die Pflanzen benetzte, verfärbten sie
sich schwarz und verdorrten. Plötzlich erkannte Desari, dass der Blutstrom jede
Bewegung der großen Eule verfolgte und offenbar nur auf eine günstige
Gelegenheit wartete, um zuzuschlagen.
Die winzige Stelle, an der die
Klaue des Vampirs in ihre Haut gedrungen war, schwoll an und pochte, als wäre
die Klaue in Gift getaucht gewesen. Wenn diese winzige Wunde ihr schon solche
Schmerzen bereitete, wie musste dann Julian unter seiner tiefen Verletzung
leiden? Desari vermochte es sich kaum vorzustellen. Abermals suchte sie nach
der Verbindung zu ihm, stellte jedoch fest, dass er alle Schmerzen verdrängt hatte,
um nicht von seinem Vorhaben abgelenkt zu werden.
Am liebsten wäre Desari aufs
Schlachtfeld gelaufen, um die toten Vögel aufzuheben, die Julian in seinem
Kampf gegen den alten Vampir unterstützt hatten. Da er selbst verwundet und
geschwächt war, musste er die Hilfe der Tiere akzeptieren, doch er litt
bestimmt sehr unter der sinnlosen Zerstörung dieser wunderbaren Kreaturen, das
wusste Desari.
Voller Kummer dachte sie an
Julian, an ihren Bruder, an all diejenigen, deren Schicksal es war, zu kämpfen
und zu töten. Vampire verkörperten das Böse, und man musste die Welt vor ihren
Untaten beschützen, das wusste sie. Doch diejenigen, denen diese schreckliche
Aufgabe zufiel, riskierten dabei ihr Leben und, schlimmer noch, ihre Seele.
Schnell bemühte sich Desari,
sich zu beruhigen, sodass ihre Gedanken nur Vertrauen und innere Stärke
ausstrahlten. Dann trat sie wieder in Kontakt mit Julian und sandte ihm einen
Energieschub, den nur ihr uraltes karpatianischen Blut und ihre Macht ihm
gewähren konnten. Desari selbst war nicht in der Lage zu töten. Sie konnte sich
einfach nicht vorstellen, ein Leben zu beenden, denn ihr grenzenloses
Mitgefühl hätte es ihr unmöglich gemacht. Und doch hoffte sie inständig, Julian
wenigstens nicht an seiner Aufgabe gehindert zu haben.
Dankbar nahm Julian die Energie
an, die sich plötzlich in seinem Körper ausbreitete. Er hatte viel Blut
verloren, und das giftige Blut des Vampirs drang durch die Eulenfedern an seine
Haut und brannte sich tief in sein Fleisch ein. Dennoch zögerte er keinen
Augenblick, sondern fuhr mit seinen unnachgiebigen Angriffen fort. Wieder und
wieder stieß er auf den Untoten herab und benutzte seine messerscharfen Klauen
dazu, die Wunde in der Brust des Ungeheuers zu vertiefen. Schließlich nahm er
wieder seine menschliche Gestalt an und befreite die Eulen von dem
telepathischen Befehl, ihn im Kampf zu unterstützen.
Desari unterdrückt einen
Aufschrei, als sich das giftige Blut auf dem Waldboden sammelte und zu einer
großen Pfütze formierte. Dann nahm die schwarze Flüssigkeit die Form eines
Armes an, an dessen Ende sich eine teuflische Hand bildete, die langsam über
die Kiefernnadeln und abgebrochenen Zweige kroch, um
Weitere Kostenlose Bücher