Dunkle Sehnsucht des Verlangens
wollte weder seine Zeit noch seine Energie mit einem Streit
verschwenden.
Julian schloss die Augen,
konzentrierte sich und verdrängte einmal mehr seine eigenen Schmerzen und
seine Schwäche. Dann verließ er seinen Körper und versetzte sich in Desaris.
Sofort fand er das Gift in ihrem Blut und vernichtete es vollständig.
Als er seine Aufgabe beendet
hatte, kehrte Julian in seinen eigenen Körper zurück. Zärtlich streichelte ihm
Desari über die Wange. Er sah blass aus und schwankte leicht. Sie strich ihm
das Haar aus der Stirn und spürte den brennenden Schmerz, der von der
klaffenden Wunde in seiner Schulter ausging. »Du musst dich ausruhen. Lass mich
alles andere erledigen.«
Julian schüttelte den Kopf. »Es
wäre mir eine große Hilfe, wenn du dich um die Sterblichen kümmern würdest. Ich
kann nicht zulassen, dass du dich in die Nähe des Vampirs oder seiner Opfer
begibst. Man darf den Untoten niemals über den Weg trauen, selbst dann nicht,
wenn sie bereits zerstört sind.«
»Aber er besteht nur noch aus
Asche, Julian«, erinnerte sie ihn leise.
»Glaube mir, cara mia, ich jage seit vielen Jahrhunderten.
Vampire stellen Fallen, die oft noch lange nach ihrem Tod Schaden anrichten
können.« Er küsste ihr die Hand. »Bitte, Desari, hilf den Sterblichen. Lass sie
deinen Gesang und all die schrecklichen Bilder, die sie hier gesehen haben,
vergessen. Und dann fliege gleich zu Darius. Bufe ihn, damit du dich zur Ruhe
legen kannst. Ich werde dir so bald wie möglich folgen.«
Desari lachte leise. »Gib dich
nur weiter deinen Fantasien hin, mein Liebster. Ich bin sicher, dass sie dir
in dieser schwierigen Situation helfen können.« Sie entzog ihm ihre Hand und
ging zu der Gruppe von Campingurlaubern hinüber, die verwirrt am Rand der Lichtung
entlangstolperten.
Julian blickte ihr nach, als sie
sich vom Schauplatz der blutigen Schlacht entfernte. Sie sah so rein und wunderschön
aus, so unberührt von der Gewalt und dem Schrecken, der sie umgab. Verwundert
über sein unverdientes Glück schüttelte Julian den Kopf, strich sich das Haar
aus der Stirn und stand mühsam auf. Er war schwach, viel geschwächter, als er
vor Desari zugegeben hatte. Aus seiner Schulterwunde strahlte ein brennender
Schmerz in seinen gesamten Brustkorb aus. Außerdem spürte er, wie sich das Gift
in seinem Körper ausbreitete, und jeder Kratzer auf seiner Haut brannte wie
Feuer. Doch er hatte seine Pflicht zu erfüllen. Zuerst musste er seine
Gefährtin in Sicherheit bringen und dann alle Spuren des Vampirs vernichten, um
das karpatianische Volk vor der Entdeckung durch sterbliche Vampirjäger zu
schützen.
Julian kniete sich neben die
toten und sterbenden Vögel. Für die toten Eulen konnte er nichts mehr tun, er
würde jedoch diejenigen, die noch am Leben waren, von ihrem Leiden erlösen.
Behutsam versammelte er die verletzten Eulen um sich und verließ dann noch
einmal seinen Körper, um den Tieren zu helfen, die seinen Hilferuf beantwortet
hatten. Wie schwierig es auch sein mochte, er würde alles versuchen, um ihre
Wunden zu heilen. Julian empfand eine tiefe Ehrfurcht vor allen Tieren. Er zog
mit den Wölfen durch die Wälder, flog mit den Vögeln am Himmel, schwamm mit den
Fischen und ging mit den Raubkatzen Afrikas auf die Jagd. Er war eins mit der
Natur, und die Natur war eins mit ihm. Bevor Desari in sein Leben getreten war,
hatten die wilden Tiere ihm alles bedeutet - seine einzige Freude in den
langen, einsamen Jahrhunderten seiner Existenz.
Desari sorgte dafür, dass die
Sterblichen das grauenhafte Schlachtfeld im Wald nicht mehr sehen konnten, und
wandte sich dann zu Julian um, der neben den Eulen kniete. Er sah aus wie ein
Krieger aus alten Zeiten, verwundet, doch unbesiegt. Sein goldblondes Haar
floss ihm offen auf die Schultern, Blut tropfte aus seinen Wunden, und seine
Züge schienen wie in Stein gemeißelt, die Konturen von Schmerz und Erschöpfung
geprägt. Dennoch widmete er sich den Vögeln mit unendlicher Sanftheit,
streichelte ihre Federn und sprach die Worte des karpatianischen
Heilungsrituals, die so alt waren wie die Zeit selbst. Tränen schimmerten in
Desaris Augen. Dieser Mann, der dem Tod so ungerührt ins Auge blickte und seine
Feinde gnadenlos vernichtete, dachte nun an nichts anderes als an ihr
Wohlergehen und das der Tiere des Waldes. Sie war unendlich stolz auf Julian.
Vielleicht würde sie nie verstehen, wie er es geschafft hatte, sie so fest an
sich zu binden, doch plötzlich war Desari froh
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