Dunkle Sehnsucht des Verlangens

Gesang an, der so alt war wie die Zeit selbst. Alle Karpatianer
wurden mit dem Wissen um dieses Ritual geboren. Die Erinnerung daran war ein
unauslöschlicher Teil ihrer Seele. Die Melodie klang beruhigend und friedlich,
und Desaris einzigartige Stimme verstärkte diese Wirkung.
    Während Julian in die Nacht
hinausging, lauschte er dem Klang der Stimme seiner Gefährtin. Sie war so rein
und klar, dass sie die Wirkung des Vampirgifts lange genug ausschaltete, dass
Julian sich auf seine Umgebung konzentrieren konnte. Draußen bemerkte er
Schatten, die im Schutz der Bäume umherschlichen und den Bus umkreisten.
    Erleichtert atmete Julian auf.
Es handelte sich nicht um einen weiteren Vampir, sondern nur um die Lakaien des
toten Vampirs - Ghouls. Früher waren sie einmal Sterbliche gewesen, doch jetzt
floss das Blut des Vampirs in ihren Adern, sodass sie über übermenschliche
Kräfte verfügten, jedoch nicht unsterblich waren. Sie schliefen in der
Kanalisation oder auf Friedhöfen, um der tödlichen Sonne zu entgehen, und
ernährten sich von Fleisch und Blut. Der einzige Sinn ihres Lebens bestand
darin, ihrem Meister zu dienen, in der Hoffnung, dass er ihnen eines Tages
Unsterblichkeit verleihen würde. Doch dies war unmöglich, Julian wusste das.
Sie waren bereits tot, nur noch Marionetten, die allein von den Launen des
Vampirs und seinem giftigen Blut zu groteskem Leben erweckt wurden.
    Fest entschlossen trat Julian
den lebenden Toten gegenüber. Sie hatten es auf Desari abgesehen. Obwohl ihr
Herr und Meister inzwischen vernichtet war, blieb ihnen keine andere Wahl, als
seinen Befehl auszuführen, Desari in ihre Gewalt zu bringen. Julians erste
Pflicht war es, seine Gefährtin zu schützen. Also belegte den Bus mit dem
mächtigsten Schutzzauber, den er kannte, für den Fall, dass die Ghouls ihn in
seinem geschwächten Zustand besiegen sollten. Dann würde Darius den
Schutzzauber aufheben müssen.
    Halte sie auf, bis Darius
bei uns ist. Julian hörte den flehenden Unterton in Desaris Stimme. Sie konnte es nicht
ertragen, dass er noch mehr Schmerzen erleiden sollte.
    Sing für mich, cara mia. Dein Gesang lindert meinen
Schmerz. Mir bleibt keine andere Wahl, als mit diesen Kreaturen zu kämpfen. Du
bist mein Leben, der einzige Grund für meine Existenz. Ich werde dich unter
allen Umständen beschützen.
    Wie wäre es dann mit einem
Sturm? Oder ich kann Nebel heraufziehen lassen. Bitte erlaube mir, dir zu
helfen, wenn ich kann. Sie wollte sich nicht mit Julian streiten und ihn von
seinen Feinden ablenken. Desari hörte das finstere Murmeln, das Rascheln der
Blätter und das Knacken der Zweige, die unter ihren schweren Schritten
zerbrachen. Die Ghouls rückten beharrlich gegen Julian vor.
    Sing für mich, piccola. Dein Bruder wird schon vor seiner
Ankunft Hilfe senden. Du musst dich bereithalten, denn er wird wahrscheinlich
durch deine Augen sehen wollen.
    Damit musste sich Desari
zufrieden geben. Erneut stimmte sie den uralten rituellen Gesang an, während
sie ans Fenster trat, um in der Lage zu sein, alles zu sehen, was Darius zu
sehen wünschte. Einsam, jedoch aufrecht, stand
    Julian da. Der Wind spielte in
seinem Haar, und obgleich sein Körper von Schmerzen gepeinigt wurde, wirkte er
konzentriert und sprungbereit. Sie war so stolz auf ihn.
    Desari? Es war Darius, und seine Stimme
klang so ruhig wie immer, erfüllt von vollkommenem Selbstvertrauen. Er musste
schon ganz in der Nähe sein. Sag mir, was mit Julian geschehen ist.
    Desari fuhr mit ihrem
Gesang fort, schickte jedoch ihre Gedanken zu ihrem Bruder. Sie benutzten
bereits seit so vielen Jahrhunderten ihren privaten telepathischen Pfad, sodass
es ihr nicht schwer fiel, ihr Bewusstsein aufzuteilen. Er musste einen der alten
Vampire bekämpfen, dessen Blut ein starkes Gift enthält. Julian wurde
verwundet, doch er wollte mir nicht gestatten, ihm mein Blut zu geben. Er ist
zu schwach, um das Gift aus seinem Körper zu vertreiben. Er wartet auf dich.
    Du weißt, was ich brauche, antwortete Darius. Richte den Bus mit Kerzen und
allen notwendigen Kräutern her. Der Duft der Kräuter muss bereits in der Luft
liegen, wenn wir die Angreifer besiegt haben, die dich bedrohen. Ruf nach den
anderen. Wir werden sie brauchen, damit sie am Heilungsritual teilnehmen. Du
musst darauf bestehen, dass auch Syndil dabei ist, denn sie verfügt über große
Heilkräfte.
    Darius brach den Kontakt zu
seiner Schwester ab und schwebte unsichtbar über den Lakaien des Untoten. Sieben.
Es