Dunkle Spiegel
ernst und neugierig zugleich, aber freundlich. Ich setzte mich auf meinen Stuhl und versuchte, mich zu entspannen, was mir, um ganz ehrlich zu sein, noch immer nicht leicht fiel.
“So, und jetzt noch einmal meine Frage: wie fühlen Sie sich jetzt?”
“Ein wenig besser.” Tatsächlich ließ meine innere Anspannung mehr nach.
“Detectives, eines möchte ich vorweg sagen. Ich habe hier zwar jeden Tag einen riesigen Berg an Bürokratie zu bewältigen, um diese Abteilung zu leiten, und stehe deshalb nicht immer an vorderster Front - aber ich bin nicht blind! Und hin und wieder sollte es auch in unserem Job mal möglich sein, ein Ventil zu finden, wo man seine Aggressionen ablassen kann.” Kurze Pause. “Sie beide haben sich in den letzten Monaten kaum eine Ruhepause gegönnt, sich fast völlig verausgabt. Gleichzeitig beweisen Sie gerade in diesem Fall eine bewundernswerte Hartnäckigkeit. Doch alles hat seine Grenzen. Und ich hatte das Gefühl, dass Sie die Ihre schon ein wenig überschritten haben könnten.”
“Nein, nein, das stimmt nicht.” erwiderte ich, obwohl sich meine Worte sogar in meinen eigenen Ohren nur wie ein schwacher und nur allzu selbstverständlicher Widerspruch anhörten.
“Sie sind an einem wichtigen Punkt in Ihren Ermittlungen angelangt. Sie sind unserem Mann dichter auf den Fersen als jemals zuvor. Doch über die Zeit hatte sich in Ihrem Innern eine enorme Anspannung, Wut und Enttäuschung angestaut! Und im entscheidenden Augenblick, der uns wohl jetzt unmittelbar bevorzustehen scheint, könnte man über solche Emotionen leicht stolpern und den Kopf verlieren!” Wieder eine Pause. Diesmal entgegnete ich nichts, auch wenn es im meinem Innern gerade einen Kampf gab zwischen Zustimmung und der Ablehnung seiner Einschätzung. Dann wendete sich der Chief mir zu und meinte im freundschaftlichen Tonfall: “Und Ihnen, Detective Crocket, sieht man die Strapazen nur zu sehr an. Aus irgendeinem Grund lassen Sie diesen Fall sehr nahe an sich herankommen, was Ihnen deutlich zu schaffen macht. Ich möchte das jetzt keineswegs negativ bewerten, denn nach meiner Einschätzung ist genau das der Grund, warum Sie diesem Kerl bestimmt bald persönlich gegenüber stehen werden. Aber es war nötig, dass Sie mal diesen ganzen Dreck einfach rauslassen, der Ihnen ständig im Kopf herum spukt und die Hirnwindungen blockiert. Ich schätze diesen Mann als sehr gefährlich ein. Nachdem wir ja anfangs nichts weiter als nur vage Vermutungen hatten, fügt sich jetzt alles zu einem greifbaren, wenn auch sehr finsteren Bild zusammen. Und da brauche ich Sie beide mit einem völlig klaren Kopf – verstehen Siedas?! Sie und Sie, Ramirez! Und nun haben Sie ein wenig von der angestauten Wut rauslassen können - und das sogar ohne Couch und völlig umsonst. Wie finden Sie das?”
Jetzt musste ich sogar gequält lächeln. Der Chief nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas. Das war eine gute Idee. Auch meine Kehle war völlig ausgetrocknet. Und von einem Moment auf den nächsten fühlte ich mich sogar irgendwie … erleichtert!
“So. Wie bereits angedeutete, haben wir jetzt ein ziemlich genaues Bild von diesem Mörder. Und wir haben jetzt auch einen Namen: Karl Gumbler. Denn ich denke, die Indizien sind so stichhaltig, dass wir davon ausgehen können, jetzt wirklich den Mann gefunden zu haben, der für diese ganze Schweinerei verantwortlich ist. Also: Karl Gumbler führte bisher ein Leben wie jeder andere auch, soweit wir das bis jetzt nachvollziehen können. Er war verheiratet, wohnte in einer guten Wohngegend, was sich die Gumblers aber auch nur durch das Erbe der mittlerweile verstorbenen Eltern der Ehefrau leisten konnten. Mrs. Gumbler war Hausfrau, die beiden hatten keine Kinder. Karl Gumbler selbst ging einem geregelten Beruf nach - auch wenn wir im Augenblick noch nicht genau wissen, wo -, fuhr früh morgens weg und kam meistens gegen Nachmittag wieder nach Hause. Vereinzelt musste er auch Nachtschichten schieben - das haben uns die direkten Nachbarn der Gumblers erzählt, die darüber schon etwas erstaunt waren, zumal sich diese Schichten in der letzten Zeit gehäuft zu haben schienen. Genaueres wusste niemand, denn Mr. Gumbler war bei den Nachbarn nicht als besonders gesprächig oder auffällig bekannt, und seine Frau machte immer einen eher schüchternen Eindruck und hielt sich wohl immer dezent im Hintergrund. Für uns ist das ein Hinweis, das er diese Nachtschichten vorgeschoben haben könnte, um in dieser
Weitere Kostenlose Bücher