Dunkle Spiegel
großartigen Mörder bezeichnen, der uns noch immer auf der Nase herumtanzt?”
“Hört sich eigentlich gar nicht so schlecht an.” meinte Newman und rieb sich das Kinn. “Der Gedanke ist in der Tat gar nicht so abwegig. Nach meiner Erfahrung lässt sich ein Täter, der über ein gewisses Maß an Eitelkeit und Arroganz verfügt, mit einem Bericht in den Medien durchaus ködern, vielleicht sogar provozieren. Wobei man dann natürlich die Reaktion im Voraus nicht abschätzen kann. Aber Karl Gumbler ist, glaube ich, etwas anders gestrickt. Eitel und arrogant ist er meiner Ansicht nach zum Beispiel nicht. In Bezug auf seine Intelligenz, ein nicht zu unterschätzender Faktor, kann man leider nur schwer eine Einschätzung abgeben. Er scheint sich in allen Angelegenheiten rund um Computer und Internet sehr gut auszukennen. Im Haus der Gumblers konnte ich zwar bei meinem kurzen Rundgang jede Menge Bücher finden, die man vielleicht für die Allgemeinbildung als relevant bezeichnen könnte, aber die meisten von ihnen zeigten noch nicht einmal eine Knickfalte im Buchdeckel, so als wären sie nur durchgeblättert, aber noch nie richtig gelesen worden. Und in einer Nische entdeckte ich einen großen Stapel mit Comics und Manga-Zeitschriften, die im Vergleich zu den Büchern sehr abgenutzt wirkten. Nicht zu vergessen: sein besonderes Talent im Verwischen von Spuren, dem Eindringen und auch Verschwinden aus den Wohnungen der Opfer, ohne gesehen oder gehört worden zu sein.”
“Also doch keine direkte Herausforderung über die Medien?” hakte Ramirez etwas ungeduldig nach.
“Na ja, wenn ich jetzt so darüber nachdenke … nein, vermutlich würde man damit ein zu hohes Risiko eingehen, solange Sie nicht wissen, wodurch er sich so hat provozieren lassen, dass er sich genötigt sah, seine eigene Frau auf diese brutale Weise umzubringen.”
“Karl Gumbler wird sich versteckt haben. Irgendwo, wo er sich absolut sicher fühlt. In einer Umgebung, die ihm hundertprozentig vertraut ist.” sagte ich, während ich schon angestrengt darüber nachdachte, wo das sein könnte.
“Mich wundert noch eine Sache!” warf der Chief plötzlich laut ein, verschränkte die Arme vor seiner massigen Brust und sah uns der Reihe nach an. “Die Ereignisse der letzten Stunden passen für mich nicht mit dem bisherigen Verhalten Karl Gumblers zusammen. Bei den Morden ging er sehr gewissenhaft vor. Gründlich. Sauber. Alles war genauestens kalkuliert. Es gibt doch Hinweise, die uns sagen, dass er wohl sogar mehrere Stunden am Tatort verbracht hat, um vielleicht die Situation voll auszukosten, auf alle Fälle aber, um alle nur erdenklichen Spuren zu beseitigen. Ich würde das als einen sehr berechnenden Charakter bezeichnen. Aber die Ermordung seiner Frau, wie auch die beiden letzten Morde an den jungen Frauen mit diesen Schnittwunden, deuten für mich mehr auf eine Art von gehetzter Handlung hin. Nicht mehr so kalkuliert und geplant wie zuvor. - Was halten Sie davon? Sieht da noch jemand außer mir die Möglichkeit eines tieferen Sinnes dahinter?”
Agent Newman sah fragend zu mir und Ramirez. Er hatte offenbar eine Erklärung, wollte sich aber bei unserem Fall nicht in den Vordergrund drängen. Aber zugegebenermaßen war ich ihm für seine Erfahrungen beim FBI zutiefst dankbar. Wir hatten es in der Vergangenheit schon mit vielen Mördern zu tun, aber diese Mordserie und Karl Gumbler gaben mir mehr Rätsel auf, als mir angenehm war.
“Na los, “meinte Ramirez und grinste auffordernd, “plaudern Sie ruhig aus Ihrem FBI-Nähkästchen!”
“Nach meiner Erfahrung, Chief Whealer, gehen die meisten Täter nach einem genau abgestimmten Schema vor, das sie bis ins kleinste Detail geplant haben. Dabei wird in der Regel auch gleich ein Fluchtweg mit eingeplant, der es ihnen ermöglicht, nicht selten auf recht raffinierte Weise von ihrer Spur abzulenken und im Untergrund zu verschwinden. Es gibt aber auch Straftäter, die sich ihrer Tat und ihrer Vorsicht in Bezug auf das Beseitigen von Spuren so selbstsicher sind, dass sie die Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht ziehen, in eine Situation geraten zu können, in der sie schnell flüchten und verschwinden müssen. Und Karl Gumbler scheint einer von dieser letzten Gruppe zu sein. Er war viel zu fixiert auf seine sexuellen Neigungen und die Tat an sich! Einen Notfallplan hat er sich wohl in Gedanken grob zurechtgelegt, aber nicht so exakt geplant wie die Taten selbst. Hier würde ich eindeutig auf
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