Dunkle Symphonie der Liebe
dachte. Dass im Palazzo alles wie durch Zauberei
von selbst lief? Nicht einmal Don Giovanni war auf die Idee gekommen, auf dem
Grundstück nach dem armen Enrico suchen zu lassen. Sie konnte sich beim besten Willen
nicht vorstellen, dass ihr Koch einfach auf und davon ging und dazu auch noch
seine gesamte Habe zurückließ. »Grazie, Helena. Geben Sie mir Bescheid, sobald Sie etwas
wissen. So, und wer im Haus kann in der Küche einspringen? Ich weiß, dass Sie
schon jetzt viel zu viel zu tun haben, und möchte Ihnen nicht noch mehr Arbeit
aufhalsen. Justine kann vorübergehend jemanden einstellen, wenn Enricos
Hilfskräfte nicht alleine zurechtkommen.«
»Ich werde Alfredo zum Chefkoch
befördern, bis Enrico wieder da ist«, sagte Helena. »Er ist ein recht guter
Koch und arbeitet seit sieben Jahren unter Enrico. Er ist eigenwillig und
manchmal ein bisschen schwierig, weil er sich gern mit Kopfschmerzen und
Krämpfen ins Bett zurückzieht, aber ich bin sicher, er kommt gut zurecht, bis
Enrico zurückkehrt. Dann wäre da noch mein Neffe Esteben. Sie erinnern sich?
Wir haben ihn vor einiger Zeit als Lehrjungen eingestellt. Er leistet gute
Arbeit. Er kann einstweilen Alfredos Aufgaben übernehmen.«
»Sind Sie sicher, Helena?
Alfredo wird jemanden brauchen, der schnell und zuverlässig ist. Es hat
gelegentlich Klagen über Esteben gegeben. Ich hatte manchmal den Eindruck,
dass ihm vielleicht nicht besonders viel an seinem Job liegt.«
»Oh nein, Signorina! Esteben
ist sehr dankbar für seine Anstellung. Er hatte irgendwann einmal ein wichtiges
Rendezvous und Enrico wollte ihm nicht freigeben. Sie hatten Streit, aber
Esteben wollte nur Eindruck auf seine Liebste machen. Ihm ist klar, wie wichtig
seine Arbeit ist.«
Antonietta nickte. »Justine,
sag bitte in der Buchhaltung Bescheid, dass die beiden entsprechend mehr Gehalt
bekommen müssen.«
»Ja, natürlich, ich mache mir
gleich eine Notiz. Du solltest jetzt wirklich zu deinem Großvater gehen. Er hat
sich sehr aufgeregt. Ich weiß nicht, ob er sein Herzmittel genommen hat, er
war völlig aus der Fassung.«
»Na gut.« Antonietta legte ihre
Hand leicht auf Justines Arm. »Danke für alles, was du für mich tust, Justine.
Ich hoffe, du weißt, wie sehr ich dich schätze, sowohl als Freundin wie auch als
Assistentin.«
»Ich weiß, Toni.« Justine war
weniger förmlich, wenn sie allein waren. »Ich liebe meine Arbeit und den
Palazzo. Ich finde es toll, dass ich mit dir die ganze Welt bereisen kann. Am
schönsten ist aber, dass du mir die Familie gegeben hast, die ich nie hatte,
deine Zuneigung beruht also auf Gegenseitigkeit.« Sie ging zielsicher voran
und bewegte sich rasch an jedem Hindernis vorbei. Antonietta zögerte nicht, ihr
zu folgen. »Ich war entsetzt, als ich das Gerücht gehört habe, du wärst
überfallen worden. Ist das wahr?«
Antonietta nickte. »Ja. Wenn
Byron nicht gewesen wäre, wären Nonno und ich verloren gewesen. Ich habe mir
bei dem Kampf einige Quetschungen zugezogen.«
»Warum sollte jemand dir oder
deinem Großvater etwas antun wollen?«
»Warum hat jemand meinen Eltern
etwas antun wollen?« Die Worte rutschten ihr heraus, bevor sie sie zurückhalten
konnte, und schienen in der Luft zu hängen, als die beiden Frauen durch den
gewundenen Korridor zu dem Flügel gingen, in dem sich die Büroräume befanden.
»So eine Andeutung habe ich
noch nie von dir gehört«, sagte Justine. »Nicht ein einziges Mal. Ich dachte,
die Explosion wäre ein Unfall gewesen. War nicht offiziell von einem Unfall
die Rede?«
»Nein.« Das Wort kam in
gepresstem Flüsterton heraus. Nein, es war kein Unfall gewesen, aber das würde
sie nie eingestehen, nicht sich selbst und auch sonst niemandem. Irgendjemand
hatte ihre Jacht bewusst aufs offene Meer treiben lassen. Bei der Explosion
waren nicht alle Zeugen verbrannt oder ertrunken. Ein Fischerboot, das in der
Nähe war, hatte das blinde, fünf Jahre alte Mädchen an Bord genommen. Antonietta
hatte nie verlangt, Einsicht in die Polizeiberichte zu nehmen, hatte es nie
für nötig gehalten. Wenn die Behörden nicht feststellen konnten, wer ihre Familie
ausgelöscht hatte, was hätte ein Kind dann schon machen können? Und als aus dem
Kind eine Erwachsene geworden war, hatte sie nicht mehr zurückschauen wollen.
»Ich rufe sofort Joie Sanders
an«, sagte Justine mit einem Anflug von Panik in der Stimme. »Glaubst du, dass
du in unmittelbarer Gefahr bist ? Ich weiche nicht von deiner Seite!«
Antonietta hörte
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