Dunkle Symphonie der Liebe
vermied, Byrons Blick zu begegnen. »Antonietta,
ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht, aber du kannst nicht einfach
dreizehn Jahre Freundschaft wegwerfen. Du weißt, dass du meine Familie bist.
Meine einzige Familie. Das Ganze ist sehr schmerzlich für mich.«
Byrons Hand wanderte nach oben
und massierte Antoniettas verspannten Nacken. Seine Finger waren sanft, und
seine Ausstrahlung wirkte so beruhigend, dass ihr Zittern nachließ und sie
nicht mehr glaubte, ihren Zorn und Kummer laut herausschreien zu müssen.
Antonietta schwieg einen
Moment. »Ich bin froh, dass es dir wehtut, Justine. Mir tut es nämlich auch
sehr weh zu wissen, dass du alles, was uns verbunden hat, verraten hast, und
zwar nur, weil du mit meinem Cousin schläfst. Ich kann mir nicht vorstellen,
dass der Mann, mit dem ich zusammen bin, so etwas von mir verlangt, und noch
weniger kann ich mir vorstellen, dass ich nachgeben oder bei ihm bleiben würde,
wenn er es täte. Paul nutzt andere aus. Er kann es sehr gut, aber das wusstest
du ja, als du dich auf diese Affäre eingelassen hast.«
Justine errötete tief und wich
Byrons Blick aus. Ihre Lippen bebten einen Moment lang, dann hob sie ihr Kinn,
drehte sich abrupt auf dem Absatz um und rauschte davon. Byron sah ihr nach und
stellte fest, dass ihr Rücken steif wie ein Brett war und sie ihre Hände zu
Fäusten geballt hielt.
»Was willst du ihretwegen
unternehmen?«, fragte Byron. Seine Hand wanderte von ihrem Nacken zu ihrem
Rücken und setzte die beruhigende Massage fort.
»Ich habe keine Ahnung. Ich
sollte sie sofort entlassen und ihr sagen, dass sie ihre Sachen packen und auf
der Stelle verschwinden soll, aber ich weiß nicht, ob verletzter Stolz oder
gesunder Menschenverstand aus mir spricht. Justine kann wie jeder andere auch
Fehler machen.«
Verrat. Das Wort brannte sich in sein
Bewusstsein wie eine sengende Brandwunde, die schwarzen Rauch und einen bitteren
Nachgeschmack hinterließ. Byron gefiel das Ganze nicht, aber Antoniettas Gefühl
von Loyalität und Verantwortung für ihre Freunde und Verwandten war
überwältigend. Er gab sich große Mühe zu verstehen, warum sie diese Menschen so
sehr liebte, warum es ihr so wichtig war, ihnen zu helfen. Er wollte in ihrer
Familie das sehen, was sie sah. Er wollte sich um diese Menschen kümmern, wie
Antonietta es tat. Don Giovanni hatte sich seine Achtung und seine Loyalität
erworben. Er bezweifelte, ob das den anderen je gelingen würde, aber er war
entschlossen, ihnen jede Chance zu geben.
»Ich wünschte, du könntest
lernen, meine Familie zu lieben, Byron«, sagte Antonietta.
Er könnte in ihr Bewusstsein
eintreten und diese Menschen mit Antoniettas Augen sehen, aber Byron wollte
sich ausschließlich auf seine eigene Wahrnehmung verlassen, wenn es um ihre
Familie ging. »Wir finden schon einen Weg.«
»Ist deine Schwester wirklich
hier, Byron?« Antonietta wollte jetzt weder an Paul noch an Justine denken.
»Ja, sie ist hier. Freu dich
nicht zu früh. Sie hat meinen Neffen Josef mitgebracht, und das allein sollte
Grund genug für uns alle sein, in Deckung zu gehen. Wenn du glaubst, merkwürdige
Verwandte zu haben, musst du erst einmal Josef kennen lernen.«
»Sie müssen zum Abendessen
kommen«, sagte sie. »Morgen Abend. Du lädst sie ein, ja?« Sie rieb ihr Gesicht
an seiner Schulter wie eine Katze. »Dann sehe ich auch den berüchtigten Josef.
Ich bin schon sehr gespannt.«
Er stöhnte gespielt laut, um
sie zum Lachen zu bringen. »Du willst ja nur, dass ich mich vor Verlegenheit
winde.«
»Naja, das auch.«
»Glaubst du, meine Familie zum
Essen einzuladen, wird helfen, Tasha daran zu erinnern, dass man mich nicht
unter einem Stein gefunden hat?« Das Lachen in seiner Stimme war nicht zu
überhören.
Sie legte den Kopf zurück, als
könnte sie ihn durch ihre dunklen Brillengläser sehen. »Dir liegt doch nicht
ernsthaft daran, ob sie dich mag oder nicht, oder?«
»Eigentlich nicht. Mich hat es
noch nie so richtig gekümmert, was jemand von mir hält. Ändert es etwas daran,
wer oder was ich bin? Mein Ehrenkodex verlangt ein bestimmtes Verhalten von
mir. Daran kann ich nichts ändern, für niemanden.«
»Kannst du wirklich Gedanken
lesen? Buchstäblich? Ich habe gewisse Vorstellungen, so etwas wie eine Idee
oder ein vages Bild, in meinem Kopf und weiß, dass ich es von jemand anders
bekomme, aber richtig Gedanken lesen kann ich nicht«, gestand Antonietta in
einer Anwandlung von Offenherzigkeit, obwohl sie sonst eher
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