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Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie

Titel: Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuala O'Faolain
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gesagt, es gibt hier gar nicht so viele Diebstähle. Die Leute haben alles, was sie brauchen, hat sie gesagt, jedenfalls die meisten, deshalb gibt es für sie keinen Grund, andere zu beklauen. Und ich hatte extra zwei Schlüpfer angezogen, damit ich meinen Geldbeutel dazwischenstopfen kann, aber nach dem Gespräch mit der Dame bin ich sofort auf die Toilette gerannt und habe einen Schlüpfer wieder ausgezogen. Ich habe sowieso keine Lust, herumzulaufen und mich dauernd vor meinem eigenen Schatten zu fürchten.«
    Als wir die Halle verließen, empfing uns ein kräftiger Wind. Die Leute mussten ihre Hüte und Röcke festhalten, wenn sie die Straße zum Parkplatz überquerten. Min wich zurück und blieb wieder stehen. Ich drehte mich nach ihr um. Sie hatte bemerkt, dass von einem Papierkorb, der an einer Stange befestigt war, eine kleine Rauchwolke aufstieg. Zwei athletische Männer in Uniform umkreisten den Papierkorb und redeten wichtigtuerisch in ihre Walkie-Talkies. Sie warteten auf ein Löschfahrzeug, hörte ich einen von ihnen sagen. In dem Moment kam ein kleiner Junge und kippte seine Cola-Dose über das schwelende Papier. Sofort hörte es auf zu qualmen. Der Junge ließ die Dose auf den Boden fallen. Eine heftige Windböe ergriff sie und trieb sie mit Geschepper über die Straße.
    Ein riesiges Feuerwehrauto kam angebraust. Der Taxifahrer, der neben uns an den Gehwegrand gefahren war, lachte laut los.
    Aber Min sah ein anderes Problem. »Hast du das gesehen?«, sagte sie empört zu mir. »Eine ganze Dose Cola – dabei hätte er genauso gut Wasser nehmen können.«
    Das war alles so typisch Min. Sie erkundigte sich nicht, wie es mir ging oder ob ich vielleicht zufällig lieber etwas anderes
getan hätte, als auf dem Kennedy Airport herumzustehen und auf sie zu warten. Sie entschuldigte sich auch nicht dafür, dass sie den anderen zu Hause so viel Ärger gemacht hatte, ja, sie wollte nicht einmal wissen, wo sie übernachten würde. Aber trotzdem erschien sie mir verändert, einfach deswegen, weil sie redete – nachdem sie in Kilbride immer nur geschwiegen hatte. Sie saß im Taxi ganz vorne auf der Sitzkante, drehte neugierig den Kopf hin und her und plapperte ohne Punkt und Komma.
    »Rosie – die Häuser sind unglaublich klein, findest du nicht? Man würde nicht denken, dass in Amerika die Häuser so winzig sind. Weil die Menschen hier doch alle so groß und dick sind – oder jedenfalls die, die nach Irland kommen. Und außerdem …«
    Wir fuhren über eine Anhöhe. Der Taxifahrer unterbrach sie, um sie darauf hinzuweisen, dass man jetzt Manhattan sehen konnte.
    »Das sieht ja aus wie im Sorrento!«, rief Min.
    Und sie hatte recht. An der Wand unserer Fish and Chips-Bude war in roten Kacheln die Skyline von Manhattan nachgebildet, und wir starrten immer darauf, während Enzo die Fritten aus dem Abtropfsieb holte und in Papiertüten kippte.
    Sie war begeistert von den Maut-Häuschen an der Brücke. »So was sollte man in Dublin auch einführen«, sagte sie. »Jeder, der in die Stadt reinfahren will, muss zahlen, und das Geld wird dann an die Leute verteilt, die dort wohnen.«
    Zu allem gab sie ihren Kommentar ab: zu der weißen Stretch-Limousine, aus der laute Musik dröhnte, zu den Menschen, die vor uns über die Straße strömten, als wir an einer roten Ampel halten mussten, und dass sie alle verschiedene Mützen trugen, zu den vielen Reinigungen, zu einem Bettler, der seinen Papierbecher schüttelte und laut dazu sang – daheim würde der ein Vermögen machen, meinte sie, weil er so glücklich aussah.
    Ich deutete auf das UNO-Gebäude.

    »Wo ist die irische Fahne?«, wollte sie sofort wissen. »Wickelt mich in die grüne Fahne, Jungs!«
    »Irland, Irland«, murmelte der Fahrer. »Wirklich ein armes Land.«
    »Ach, es ist nicht mehr so schlimm«, entgegnete Min. »Seit Präsident Clinton da war und dafür gesorgt hat, dass die im Norden endlich miteinander reden, ist es viel besser geworden.«
    »Tatsächlich?«, sagte der Fahrer. »Na, Gott sei Dank.«
    »Woher kommen Sie?«, erkundigte sie sich.
    »Ich komme aus Sierra Leone, Ma’am. Das ist in Afrika. Da gibt es auch viel Leid, viel Armut. Sie verstehen das sicher, weil Sie aus Irland kommen.« Er schwieg einen Moment, dann fuhr er fort: »Aber Sie sagen, dass der liebe Gott es besser gemacht hat. Möge der Herr auch Sierra Leona Seinen Frieden schenken!«
    »Ja«, sagte Min. »Das wäre schön.«
    »Wir wollen beten«, sagte er.
    Inzwischen hatten wir

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