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Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie

Titel: Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuala O'Faolain
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amerikanischen Wasserkocher.
    »Wie wär’s, wenn du dich ein bisschen hinlegen würdest, Min?«, fragte ich sie.
    Gehorsam wickelte sie sich in einen Hotelbademantel, der ihr mehrere Nummern zu groß war, legte sich aufs Bett und schlief ein, ohne die Tagesdecke zu entfernen.

    Ich blieb auf meiner Seite des Raums.
    Ich würde nur ein paar Meter von ihr entfernt schlafen.
    Seit Baileys Hütte hatte es das nicht mehr gegeben. Dort ging die Trennwand zwischen den beiden Zimmern nicht bis zur Decke, und wenn ich morgens aufwachte, hörte ich meinen Vater schnarchen. Oder er atmete laut und flach, und manchmal brummelte er auch etwas vor sich hin. Einmal hörte ich ihn sogar singen. Ich liebte seine Schlafgeräusche. Eigentlich liebte ich alles an ihm. Als er mir das Schwimmen beibrachte, nahm er mich auf den Rücken, und wir prusteten und spuckten beide, wir husteten und spritzten uns gegenseitig nass und planschten durch die Wellen. Sein Körper gab mir ein Gefühl der Geborgenheit, das mich absolut furchtlos machte. Aber Min wollte nicht schwimmen. Min hatte auch keine Lust, andere Menschen zu berühren. Deshalb konnte ich mich so genau an den Abend erinnern, an dem sie auf dem Teppich vor dem Kamin bei mir saß und mir immer wieder warmes Olivenöl in die Ohren träufelte. Dieser Abend war die große Ausnahme gewesen. Natürlich musste sie mich jeden Tag berühren, wenn sie mich an- und auszog, aber das machte sie nüchtern und routiniert. Der Abend vor dem Kamin war der einzige, an dem sie sich nicht beeilte. Und mir keine schroffen Anweisungen gab. Im Gegenteil, sie drehte mich sanft von einer Seite auf die andere.
    Später wurde irgendwann eine Art Sportzentrum eröffnet. Es lag an der Pier-Straße, nicht weit von unserer Hütte entfernt. Min und ich fanden, wir könnten doch die Dusche im Umkleideraum dort benutzen – weil wir in der Hütte zwar einen chemischen Tank als Toilette hatten, aber kein fließendes Wasser. Min sagte, falls uns jemand erwischen sollte, wenn wir mit Shampoo, Seife und Handtuch in einer Plastiktüte über den Zaun kletterten, dann würden die Leute uns zwar auslachen, aber wenigstens würden sie zwei saubere Personen auslachen.
Und so kam es, dass sie und ich ein paar Jahre im Sommer jeden Abend dort duschen gingen.
    Wir wurden nie ertappt. Wir warteten, bis abends das Geschrei auf dem Sportplatz endgültig verklungen war und der Hausmeister mit seinem Fahrrad an unserem Maschendrahtzaun in Richtung Milbay vorbeigeradelt war. Sofort rannten wir los, über die dunkle Wiese bis zu den Umkleidebaracken. Min hob mich hoch, ich fasste mit der Hand ins Fenster und kroch hinein. Von innen machte ich für Min die Tür auf, und wir zogen uns im Dunkeln aus. Wir drängten uns gemeinsam unter den Duschkopf und schubsten einander immer wieder weg, weil wir natürlich beide, eingeseift, wie wir waren, möglichst viel von dem spärlich rinnenden warmen Wasser abbekommen wollten.
    Körperlich war ich ihr nie wieder so nah, bis auf die Augenblicke, lange nach Daddys Tod, wenn einmal im Vierteljahr der Gebühreneintreiber kam. Wir besaßen damals wirklich keinen Penny und mussten so tun, als wären wir nicht zu Hause. Wir quetschten uns gemeinsam in den Schrank unter der Treppe, sobald wir erfuhren, dass er in unserer Straße unterwegs war. Er kannte das Ritual genauso gut wie wir, und Reeny, die nebenan im Türrahmen lehnte, während er bei uns an die Tür klopfte, wusste ebenfalls Bescheid. Meistens nahm ich meine Bürste mit in den Schrank, damit ich mir, solange wir warteten, ausgiebig die Haare bürsten konnte. Eigentlich fand ich es gar nicht so übel in dem Schrank. Weil der Gebühreneintreiber immer durch den Briefkastenschlitz in der Haustür spähte, ließen wir die Tür zur Küche offen, damit er sehen konnte, dass wirklich niemand da war. Und nach einer Weile verdrückte er sich dann wieder.
    Etwa um dieselbe Zeit fing Min an, in den Pub zu gehen. Sie bügelte den ganzen Tag, um für unseren Unterhalt zu sorgen, weil sie keinerlei Anspruch auf eine Witwenrente hatte – sie war ja nicht mit meinem Vater verheiratet gewesen. Wir bekamen
nur Sozialhilfe – bis ich anfing, im Kaufhaus Pillar zu arbeiten. Nachdem Min fünf, sechs Stunden gebügelt hatte, machte sie sich auf den Weg zum Pub. Und sehr bald wurde daraus eine Gewohnheit.
    Danach war mein Wunsch, in ihrer Nähe zu sein, vollkommen verschwunden. Wenn ich jetzt manchmal in den Pub ging, weil ich hoffte, ich könnte sie vielleicht mit

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