Dunkle Tage
paradiesische Zustände erreicht hätten. Vielleicht sollte von denen mal jemand den Broschecks erklären, dass sie längst im Garten Eden leben!“
„Sind Sie etwa Spartakistin?“, fragte Gregor.
„Ich habe Rosa Luxemburg verehrt, wenn Sie es genau wissen wollen. Und was Liebknecht damals, während des Krieges, gewagt hat: seinem Gewissen zu folgen, die eigene Entscheidung zu überdenken und als Einziger gegen einen neuen Kriegskredit zu stimmen, trotz Anfeindungen und Fraktionszwang – das nenne ich Mut!“
„Ideale sind schön und gut, aber ein bisschen Realismus ist auch nötig, um –“ Gregor unterbrach sich. „Augenblick mal, Hendrik! Du hast gesagt, ein Leutnant Souchon ist der Mörder von Rosa Luxemburg?“ Er erhob sich und ging erregt im Zimmer hin und her. „Der Mann hat als Zeuge im Prozess ausgesagt, deshalb habe ich mich damals über ihn informiert. Er ist Mitglied der Sturmabteilung Schmidt. Und das hielt sich zu der Zeit, als die Leiche gefunden wurde, in Zossen auf!“
„Was für eine gigantische Schweinerei!“, entrüstete sich Diana.
„Wenn der Mord an Ihrem Onkel tatsächlich von diesen Leuten begangen wurde, haben wir kaum eine Chance.“
„Wir müssen diesen Hauptmann Pabst finden und über die Briefe an Max Unger vernehmen“, erinnerte Hendrik.
Gregor sah ihn entgeistert an. „Hast du heute noch keine Zeitung gelesen?“
„Ich bin den ganzen Tag nicht dazu gekommen. Warum?“
„Er ist untergetaucht, seitdem ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt. Die Rechten sind dabei zu putschen!“
Hendrik machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das höre ich seit Beginn dieser Republik praktisch jeden zweiten Tag.“
„Diesmal ist es ernster. Hier!“ Gregor warf ihm einen Stapel Abendzeitungen zu.
Alarmbereitschaft der Garnison. Schutzhaftbefehle gegen Kapp und Hauptmann Pabst titelte die Vossische Zeitung ihren ansonsten wenig informativen Leitartikel. Das Berliner Tageblatt schrieb: Vereitelung eines reaktionären Putschversuchs . Und im Vorwärts , der Zeitung der regierenden Mehrheits-SPD, hieß es: Reaktionäres Komplott aufgedeckt . Ansonsten war auch hier kaum Brauchbares zu finden. Die Schlagzeile der Zeitung der Unabhängigen Sozialdemokraten, der Freiheit , lautete: Gegenrevolutionärer Putschversuch und enthielt mehrere Unterabschnitte, die sich insbesondere mit der Schuld Noskes an der Misere beschäftigten.
Hendrik überflog die Artikel und schüttelte den Kopf. „Wie ist so etwas möglich? Die Putschisten können ihr eigenes Vorgehen in der Zeitung lesen, das ist doch absurd!“
Eine Weile spekulierten die drei über einen möglichen gewaltsamen Umsturz, bis Hendrik die Aufmerksamkeit wieder auf den Fall Unger zurücklenkte. „Was hat sich bei euch im Adelsclub getan?“, erkundigte er sich bei seinem Bruder, auf die vielen „von“ unter den Kripobeamten anspielend.
„Wir haben uns heute diesen Emil Voigt vorgenommen, den Kostgänger der Broschecks. Aber er scheint nicht viel zu wissen.“
„Und was hat dir Frau Broscheck erzählt?“
Gregor warf einen Blick auf Diana. „Nichts“, meinte er zurückhaltend. „Sie weigert sich, eine Aussage zu machen. Wir bearbeiten sie natürlich, aber sie ist fest entschlossen, nichts zu sagen.“
„Warum nur?“, rätselte Hendrik. „Was nützt es ihr? Wenn sie schuldig ist, stärkt es den Verdacht gegen sie, wenn sie unschuldig ist, muss ihr doch an einer Aufklärung gelegen sein. Es sei denn, sie schützt jemand anderen.“
„Möglich.“ Gregor schien nicht weiter darüber reden zu wollen.
„Was hast du sonst herausgefunden?“
„Vor allem, dass die vierte Fährte ins Nichts führt.“
„Vierte Fährte?“ Diana verstand kein Wort.
Hendrik klärte sie auf: „Konkurrenten deines Onkels, die er in den Ruin oder gar zum Selbstmord getrieben hat.“
„Deines?“ Gregor riss die Augen auf und brachte damit Hendrik und Diana zum Lachen.
„Wir haben uns angefreundet“, verriet Hendrik. „Diana wird für eine Weile zu mir ziehen.“
„Das ging ja verdammt schnell.“
„Ich habe dir vorhin schon gesagt, du sollst deine Fantasien für dich behalten. Und jetzt lenk nicht ab: Was war mit den Konkurrenten von Max Unger?“
Gregor sah von Hendrik zu Diana und schüttelte den Kopf, beantwortete aber die Frage. „Alle Nachforschungen in dieser Richtung waren ergebnislos.“
„Das Päckchen! Was habt ihr darüber herausgefunden?“
„Weder das Verpackungsmaterial noch die Holzwolle, die zum Füllen
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