Dunkle Tage
Nachforschungen mit einem überheblichen Kommissar teile“, gab Diana zurück.
„Vielleicht könntet ihr eure Schlammschlacht für eine Weile unterbrechen“, sagte Hendrik. „Du wirst ebenso wie ich ihr Alibi überprüft haben, Gregor, und wissen, dass es wasserdicht ist.“
„Das beweist gar nichts. Sie könnte immer noch Mitwisserin oder gar Anstifterin sein.“
„Ich könnte auch die Kaiserin von China sein. Hören Sie, die Sache betrifft mich nun mal persönlich. Ich verlange ja nicht, dass Sie mich in jedes Detail Ihrer Untersuchung einweihen. Aber lassen Sie mich helfen, bitte!“
Gregor war immer noch nicht überzeugt. „Verdammt viel verlangt“, brummte er.
„Setz dich erst mal und trink ein Glas Eau nature mit uns“, sagte Hendrik. „Erzähl uns einfach, was du glaubst, guten Gewissens erzählen zu können, und den Rest behältst du für dich.“
Widerstrebend setzte sich Gregor zu den beiden an den Tisch. „Ist ja feudal gedeckt bei dir.“
„Wo soll ich in diesen Zeiten Delikatessen herbekommen? Du hast immerhin die Auswahl zwischen Wasser und Tee. Und wenn ich mir Mühe gebe, finde ich womöglich noch etwas Brot und Käse, falls dir danach ist.“
„Danke, ich bediene mich schon.“
Um das Eis zu brechen, machte Hendrik den Anfang: „Es scheint mir mehr und mehr wahrscheinlich, dass die Wurzeln des Verbrechens – oder zumindest die Bekanntschaft zwischen einigen Verdächtigen und dem Opfer – zu den Liebknecht-Luxemburg-Morden zurückreichen. Ich bin davon überzeugt, dass du die falsche Person verhaftet hast, trotz Fingerabdrücke und allem.“ Er kramte seine Notizen hervor und berichtete anhand seiner Aufzeichnungen, was er von Leander Sebald erfahren hatte.
„Verdammt!“, entfuhr es Gregor. „Ich hatte gehofft, dass mir so etwas erspart bleibt.“
Diana sah verwirrt aus, deshalb verriet Hendrik ihr: „Mein Bruder musste nach der Leiche von Rosa Luxemburg suchen.“
„Keine angenehme Aufgabe, kann ich mir vorstellen.“
„Wir haben den Landwehrkanal im Tiergarten abgesucht“, erzählte Gregor. „Mit Rettungsbooten vom Berliner Magistrat und freiwilligen Helfern der Feuerwehr wurde jeder Zentimeter des Kanals an der Unteren Freiarchenbrücke durchkämmt. Wir haben Suchanker benutzt. Gennat – Kriminalkommissar Gennat, er hatte die Leitung – meint immer: Nichts eignet sich besser zur Leichenfischerei als Suchanker. Das Fischen mit Netzen ist lange nicht so erfolgreich.“
„Und, haben Sie etwas gefunden?“
„Ein Fahrrad, einen Kinderwagen, ein Infanteriegewehr, einen Patronengurt – aber nicht Rosa Luxemburg. Später hat ein Taucher den Kanal zwischen S-Bahn- und Lichtensteinbrücke abgesucht. Er fand siebzig Gewehre und drei Leichen – aber nicht Rosa Luxemburg. Erst im Mai hat sie dann ein Schleusenarbeiter entdeckt. Vermutlich war sie in den Ketten am Wehr der Freiarchenbrücke hängen geblieben und dort aufgrund der starken Strömung festgeklemmt, bis der gesunkene Wasserstand sie wieder freigab.“
„Sie muss in einem furchtbaren Zustand gewesen sein.“
„Halb verwest.“
„Die Obduktion hat nicht viel erbracht, soviel ich gehört habe?“
„Wie auch?“, warf Hendrik ein. „Unser verehrter Reichswehrminister Noske hat dafür gesorgt, dass die Leiche ins Militärlager Zossen überführt wurde, ehe jemand Gelegenheit hatte, allzu genaue Untersuchungen vorzunehmen.“
„Vielleicht hatte er seine Gründe“, gab Gregor zu bedenken.
„Jeder Idiot weiß, dass man eine Leiche, die so lange im Wasser gelegen hat, besonders vorsichtig behandeln muss. Das brauche ich doch wohl gerade dir nicht zu sagen.“
„Trotzdem bist du voreilig mit deinen Unterstellungen!“
„Schau dir doch nur das Schmierentheater um den Prozess gegen die Mörder an! Der blanke Hohn! Die SPD hätte von Anfang an die republikfeindlichen Elemente der Reichswehr entlassen müssen, statt den Schutz des Staates ausgerechnet den reaktionärsten Lumpen anzuvertrauen! Aber die Sozialdemokraten buhlen ja immer um die Stimmen der Kleinbürger, koste es, was es wolle.“
„Ich will Noske gar nicht in Schutz nehmen. Mord geht mir weiß Gott gegen den Strich, und das nicht nur von Berufs wegen. Aber du musst auch sehen, unter welchem Druck von links die Regierung steht!“
Unerwartet erhielt Hendrik Schützenhilfe von Diana. „Die Sozialdemokraten sind doch selber nichts als hochgekommene Kleinbürger ohne Ideale, die glauben, dass wir mit dem Acht-Stunden-Tag schon
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