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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Lebensmittelknappheit war eine Kopfprämie von zehn Pfennigen auf Spatzen ausgesetzt worden. Hunger und Konstitutionsschwäche führten zu mehr Infektionen, die Menschen starben wie die Fliegen an einfachen Erkältungen. Dazu durfte es einfach nicht noch einmal kommen!
    Das Auto bog in die Hermannstraße ein. „Ich habe mich gestern übrigens mit Diana getroffen“, sagte Hendrik und gab weiter, was er von ihr erfahren hatte, insbesondere die Information über die Falschaussagen von Hermann und Friedrich. Gregor nahm es kommentarlos zur Kenntnis und äußerte sich auch nicht, als Hendrik betonte, wie gut es doch war, dass Diana am Ball blieb.
    Vor einer Damen- und Herrenhut-Umpresserei entdeckten sie Curt Broschecks Vater im Gespräch mit einer Blumenverkäuferin; offenbar war er so weit genesen, dass er das Bett verlassen und ein paar Schritte an der frischen Luft machen konnte. Hendrik hoffte, dass der alte Mann sich auf dem Weg der Besserung befand.
    Dann waren sie am Ziel und stiegen die Stufen zur Broscheck’schen Wohnung hoch. Gregor klopfte an die Tür, doch erwartungsgemäß rührte sich nichts.
    Sie holten den Hausverwalter, einen wichtigtuerischen Mann, der ihnen aufschloss und dabei vor Diensteifer beinahe platzte. Am liebsten wäre er wohl mit hineingekommen, aber das wusste Gregor zu verhindern. Hendrik fragte sich, ob sein Bruder damit nicht gegen irgendeine Bestimmung verstieß; er meinte gehört zu haben, dass bei einer Hausdurchsuchung die Anwesenheit eines Zeugen erwünscht war. Aber er war froh über diese Eigenmächtigkeit. Irgendwie hätte die Gegenwart dieses Mannes die Privatsphäre der Broschecks weit mehr verletzt als die Durchsuchung selbst.
    Die Kaninchen hoppelten in Deckung, als die beiden Männer das Zimmer betraten, und das Huhn starrte sie aus empfindungslosen Augen an. Auch um diese Zeit erreichte kein Tageslicht die Wohnung, die umliegenden Hauswände hielten jeden Sonnenstrahl ab. Gregor war gezwungen, seine Taschenlampe einzusetzen, während er Schubladen und Regale durchsuchte.
    Sogar verlassen wirkte die Wohnung überfüllt. Hendrik wollte nicht im Weg stehen und hielt sich deshalb nahe am Eingang. Außerdem fühlte er sich unbehaglich. Es hatte etwas Beklemmendes, die persönliche Habe eines Menschen zu durchwühlen, mochte es auch noch so sehr auf legaler Grundlage geschehen.
    Um seine Befangenheit zu überwinden, machte er Konversation. „Kapp hat dafür gesorgt, dass die Universität geschlossen wird. Ich nehme an, er braucht die reaktionären Studenten für wichtigere Dinge. Unser verehrter Herr Direktor konnte sich ihm nicht schnell genug andienen.“
    „Was hat er getan?“
    „Kapps Anweisungen weiterverbreitet und per Anschlag alle ‚national denkenden und deutsch empfindenden‘ Studenten zu einer Versammlung im Auditorium Maximum eingeladen, wo ein Vertreter der ‚neuen Regierung‘ sprach. Und ein Zimmer eingerichtet, in dem Studenten für Freikorps zur Unterstützung Kapps geworben wurden.“
    „Deutsch empfindend? Wie habe ich mir das vorzustellen – trägt so eine Empfindung einen Stempel Made in Germany? “
    „Da musst du Herrn Meyer fragen. Jedenfalls hat er die schwarz-weiß-rote Fahne gehisst. Wundert mich nicht. Er war schon im Krieg ein eifriger Verfechter der Annexionspolitik.“
    Gregor ging dazu über, erst den Kohlenkasten und anschließend das Ofenrohr zu untersuchen. „Hoffentlich hat diese Provinzposse bald ein Ende! Ein Bekannter aus dem Ullstein-Verlag hat mir erzählt, dass die Vossische gestern den telefonischen Befehl bekommen hat, keine Falschmeldungen mehr zu verbreiten, insbesondere keine Kundgebungen der alten Regierung.“
    „Ja, ich habe einen Anschlag gelesen, dass die weitere Ausgabe von Nachrichten mit Rücksicht auf die verhängte Zensur eingestellt wird.“
    „Aber du kennst die Pointe noch nicht. Heute gab es einen neuen Telefonanruf. Der ‚Herr Reichskanzler‘ ordnete an, die Plakate zu entfernen und mit der Nachrichtenübermittlung fortzufahren, weil es keine Zensur gebe. Andernfalls werde der Betrieb geschlossen.“
    Hendrik lachte schallend. So etwas brachten nur Deutsche fertig, mit vollkommener Ernsthaftigkeit Aushänge zu zensieren, um damit zu beweisen, dass keine Zensur stattfand.
    Gregor lag bäuchlings auf dem Fußboden, löste mit einem Federmesser Schmutz vom Holz und verstaute die Proben in einer Papiertüte. Dabei lief ihm das Huhn vor der Nase herum und pickte unermüdlich nach seinen Fingern.
    „Was

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